Zusammenfassung
Im Vierten Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches (Familienrecht) wurde der gesamte 3. Abschnitt „Vormundschaft, rechtliche Betreuung, Pflegschaft” erneuert. Hinzu treten Änderungen in der Vielzahl von weiteren Gesetzen und einzelnen Normen des BGB an anderen Stellen. Dadurch hat die Reform nicht nur Auswirkungen auf das Vormundschafts- und Betreuungsrecht direkt, sondern auch in anderen Bereichen. Zudem gibt es in den allermeisten Rechtsgebieten immer wieder Berührungspunkte mit unter Betreuung stehenden Person oder Minderjährigen, wofür die Änderung ebenfalls relevant sind. Der Beitrag ist eine kompakte Darstellung der Änderungen, um die Reform grds. zu verstehen und die wesentlichen Änderungen zu kennen (ausführlich: Kurze, Die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, zerb verlag, 1. Aufl. 2022 [im Folgenden: Kurze, Reform]; Literaturübersicht: BtPrax 2022, 209 f.). Teil 1 (I.–X.) des nachfolgenden Beitrags ist in ZAP 5/2023, 239 erschienen. Er gab einen Überblick über die wesentlichen Neuerungen im Vormundschafts- und Betreuungsrecht, behandelte das Ehegattenvertretungsrecht sowie das Thema Vorsorgevollmachten, Patientenverfügung, Kontrollbetreuung, Suspendierung und den Vollmachtswiderruf. Der hiermit folgende Teil 2 (XI.–XXI.) berichtet nun über die Themen Betreuungsverfügung, der Betreute im Prozess, Betreuungserrichtung und Betreuer sowie Führung der Betreuung, Betreuungsende, Vormundschaft und Pflegschaft und erläutert schließlich auch erbrechtliche Bezüge und das Schenkungsverbot.
XI. Betreuungsverfügung (anschließend an Teil 1: I.–X.)
Wie nach dem bisherigen § 1901c BGB a.F. ist das Betreuungsgericht bei einem Betreuungsverfahren über eine bestehende Betreuungsverfügung zu unterrichten (§ 1816 Abs. 2 BGB n.F.; vgl. Kurze, Reform, § 9). Gemäß § 1859 Abs. 2 S. 2 BGB n.F. kann in einer Betreuungsverfügung vor Bestellung des Betreuers für andere als in § 1859 Abs. 2 S. 1 BGB n.F. genannte Personen eine Befreiung gewünscht werden.
- In Betreuungsverfügungen kann in Zukunft eine Befreiung des Wunschbetreuers gewünscht werden, auch wenn er nicht aus gesetzlichen Gründen befreit wäre.
- Es ist weiter und durch die Betonung der Bedeutung des Willens und der Wünsche des Betreuten noch mehr zu empfehlen, in einer Betreuungsverfügung Hinweise zu der gewünschten Ausführung der Betreuung zu geben.
Nach hier vertretener Ansicht sollte Betreuungsverfügungen mehr Beachtung geschenkt und sie sollten öfter als Gestaltungsmittel in Betracht gezogen werden. Dies gilt zum einen für Personen, denen wahrscheinlich später ein Berufsbetreuer zur Seite gestellt wird, weil sie niemanden haben, den sie bevollmächtigen oder als ehrenamtlichen Wunsch-Betreuer benennen können. Das kann auch bei Ehegatten der Fall sein, wenn sie sich zwar gegenseitig bevollmächtigen können, aber niemand da ist, der unterstützen kann, wenn der eine Ehegatte dies nicht mehr für den anderen tun kann. Dann können dem Berufsbetreuer in einer Betreuungsverfügung Informationen mitgeteilt werden, die er sonst bei der ihm zu guten Zeiten unbekannten Person nicht erhalten würde. Das kann den Umgang mit Vermögen betreffen, wenn z.B. eine weniger wirtschaftliche Immobilie nicht verkauft werden soll, da sie in einer letztwilligen Verfügung einer bestimmten Person zugedacht wurde. Im persönlichen Bereich wird es um Fragen der medizinisch-pflegerischen Versorgung und des Aufenthalts (Pflegeheim oder Pflege zu Hause) gehen.
Zum anderen sollte eine Betreuungsverfügung ernsthaft erwogen werden, wenn zwar eine Person für eine eventuelle Vorsorgebevollmächtigung zur Verfügung steht, zu dieser aber kein absolutes Vertrauen besteht. Das kann ein Nachbar sein, der sich zwar herzlich kümmert und Erledigungen wie Lebensmitteleinkäufe übernimmt, zu dem aber keine tiefe, lange Beziehung und Vertrauensbasis bestehen. Denkbar ist dies auch bei Kindern, deren Kompetenz und Eignung wahrscheinlich, aber nicht sicher ist. Diese Menschen können als ehrenamtliche Wunsch-Betreuer genannt werden. Dies ist für das Gericht grds. bindend. Zudem kann nach dem neuen Recht die Befreiung der Betreuer gewünscht werden, was ihnen die tägliche Arbeit deutlich erleichtert. Durch die gerichtliche Betreuung besteht aber trotzdem noch eine gewisse Kontrolle, auch mit Genehmigungserfordernissen, welche einen Missbrauch der Vertretungsmacht erschwert. Bei einer Vorsorgebevollmächtigung kann es dagegen an jeder Kontrolle fehlen.
XII. Der Betreute im Prozess
1. Prozessfähigkeit, Ausschließlichkeitserklärung
Durch § 53 ZPO a.F. wurde ein Betreuter einer prozessunfähigen Person gleichgestellt (Kurze, Reform, § 3; Beetz, BtR 2022, 22). Es sollte verhindert werden, dass ein Betreuter und ein Betreuer in einem Gerichtsverfahren gegenläufig handeln, sodass eine sachgerechte Prozessführung erschwert oder verhindert wird. Solange der Betreuer seine Vertretung nicht anzeigte, blieb der Betreute prozessfähig. Er konnte auch (bei Geschäftsfähigkeit und Fehlen eines Einwilligungsvorbehalts) selbst Klage einreichen. Nach dem Beitritt des Betreuers waren Zustellungen etc. nur noch an ihn wirksam.
Der Betreute ist nun nach § 53 Abs. 1 ZPO n.F. grds. pr...