Die gesetzliche Neuregelung geht zunächst – wie bisher – von der gesetzlichen Alleinsorge der Mutter aus. § 1626a Abs. 1 BGB benennt nunmehr drei Fälle, in denen die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zusteht:
- Wenn diese erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),
- wenn sie einander heiraten oder
- soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.
Praxishinweis:
Das neue Verfahren zur Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge können auch diejenigen Elternteile nutzen, deren Kinder vor Inkrafttreten der Neuregelung geboren wurden (BT-Drucks. 17/11048, S. 21).
Nach § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB nimmt das Gericht nur eine negative Kindeswohlprüfung vor. Das Gesetz sieht also die gemeinsame elterliche Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern als widerlegbaren Regelfall an (Coester FamRZ 2012, 1337, 1339). Einer positiven Feststellung der Kindeswohldienlichkeit und dafür erforderlicher Tatsachen bedarf es nicht (OLG Brandenburg NJW 2015, 964).
Der Antrag des bisher nicht sorgeberechtigten Vaters, ihm das Mitsorgerecht zu übertragen, kann daher nur abgewiesen werden, wenn mit erheblicher Gewissheit festgestellt werden kann, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl widersprechen würde (OLG Nürnberg FamRZ 2014, 571).
Für diese Prüfung kann auf die Kriterien zurückgegriffen werden, die die Rechtsprechung zu § 1671 BGB entwickelt hat; ebenso wie dort ist es nicht entscheidend, welcher Elternteil die Verantwortung für eine evtl. fehlende Verständigungsmöglichkeit trägt (OLG Stuttgart NJW 2015, 642).
Die gesetzliche Vermutung verbietet eine Ablehnung des auf die gemeinsame Sorge gerichteten Antrags, wenn sich neben dem dürftigen Vortrag der Beteiligten keine für die gemeinsame Sorge sprechenden Gründe ermitteln lassen sollten. Solche Ermittlungen sind nicht erforderlich. Allen Anhaltspunkten, die gegen die gemeinsame Sorge sprechen könnten, hat das Gericht von Amts wegen nachzugehen (OLG Brandenburg NJW 2015, 964).
Hinweis:
Es obliegt nicht dem Antragsteller, eine durch die begehrte Entscheidung bewirkte günstige Entwicklung darzulegen, sondern der Antragsgegner hat Anhaltspunkte und eine darauf beruhende ungünstige Prognose darzulegen. Gelingt ihm dies nicht oder unterbleibt jeder Vortrag zur Entwicklung des Kindeswohls, so ist der Antrag begründet (OLG Brandenburg NJW 2015, 964).
Sofern jedoch dem Familiengericht Anhaltspunkte bekannt werden, dass die Übertragung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl widersprechen könnte, dürfte auch im Rahmen der negativen Kindeswohlprüfung zu klären sein, ob die bisher von der Rechtsprechung des BVerfG (FamRZ 2003, 285) und des BGH (FamRZ 2005, 1167; 2008, 592) geforderte tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern besteht.
Eine Beibehaltung der Alleinsorge der mit dem Kindesvater nicht verheirateten Kindesmutter erfordert über eine schwerwiegende und nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation hinaus die Feststellung, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind erheblich belastet würde, wenn seine Eltern gezwungen würden, die elterliche Sorge gemeinsam zu tragen. Insofern reichen weder die bloße Ablehnung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch die Kindesmutter noch selbst manifest gewordene Kommunikationsschwierigkeiten der Kindeseltern als solche aus (OLG Celle FamRZ 2014, 857 = NJW 2014, 1309).
Jedoch reicht es in diesem Zusammenhang zur Ablehnung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht aus, dass die Kindesmutter widerspricht. Will die Mutter des Kindes die Vermutungsregelung des § 1626a Abs. 2 S. 1 BGB entkräften, muss sie differenzierten Tatsachenvortrag bringen, der anhand konkreter Vorfälle die Schwierigkeiten zwischen den Eltern schildert. Erst unüberbrückbare und dem Kindeswohl schädliche Konflikte rechtfertigen es bei der alleinigen elterlichen Sorge zu belassen.
Praxishinweis:
Vorzutragen sein wird auch, inwieweit die Eltern ihrer grundsätzlichen Bereitschaft und Verpflichtung nachgekommen sind, Kooperationsprobleme zu überwinden.
Sofern jedoch angesichts der Entwicklung in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass Eltern auch zukünftig nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzung beizulegen, ist eine erzwungene Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich.
Die für das gemeinsame Sorgerecht sprechende gesetzliche Vermutungsregelung greift damit immer ein, wenn der andere Elternteil zum Antrag auf Mitsorge entweder gar keine Stellungnahme abgibt oder in seiner Stellungnahme Gründe vorträgt, die keine Bedeutung für die Kindeswohlprüfung darstellen (BT-Drucks. 17/11048, S. 24).
Nach der Gesetzesbegründung können folgende Beispiele die Vermutungsregelung nicht entkräften.
Beispiele:
- Der Wunsch der Mutter, sie wolle auch in Zukunft allein entscheiden, sie wisse ja nicht, ob sie sich mit dem Kindesvater später noch genau...