Zu prüfen ist hier
- inwieweit beide Eltern uneingeschränkt zur gemeinsamen Pflege und Erziehung des Kindes geeignet sind,
- ob ein gemeinsamer Wille zur Kooperation besteht und
- ob keine sonstigen Gründe vorliegen, die es im Interesse des Kindeswohls gebieten, das Sorgerecht nur einem Elternteil zu übertragen.
Hinweis:
Ausführlich zu den praktisch relevanten Fallgruppen Schilling NJW 2007, 3233, 3238 m.w.N.; Völker/Clausius, Das familienrechtliche Mandat, 1. Aufl. 2014, § 1 Rn. 22; Poncelet, jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 1671 BGB Rn. 31.
Praktisch werden Einschränkungen des gemeinsamen Sorgerechts nach der teilweise kasuistischen Rechtsprechung aufgrund der folgenden Fallsituationen in Betracht gezogen.
Vielfach wird vorgetragen, dass sich die Eltern nicht über die Belange des Kindes einigen können. Sicherlich kann gemeinsames Sorgerecht in der Praxis nur funktionieren, wenn der nötige Wille zur Kooperation und zum Zusammenwirken auf dem Gebiet der Erziehung des Kindes besteht. Wird eine gerichtliche Regelung angestrebt, ist davon auszugehen, dass Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind. Dies kann aber nicht ausreichen, das gemeinsame Sorgerecht – und damit die erzieherische volle Mitverantwortung des anderen Elternteils – zu beenden.
Allerdings ist in Fällen, in denen die gemeinsame elterliche Sorge praktisch nicht "funktioniert" und es den Eltern nicht gelingt, zu gemeinsamen Entscheidungen im Interesse des Kindes zu gelangen, der Alleinsorge eines Elternteils den Vorzug gegenüber dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge zu geben (BGH FamRZ 2005, 1167; BGH FamRZ 1999, 1646). Denn die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung, die sich als oberste Richtschnur an dem so verstandenen Kindeswohl auszurichten hat (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG), setzt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus und erfordert daher ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen (BVerfG FamRZ 2004, 354 f.). Zentrale Bedeutung gewinnen damit – objektive – Kooperationsfähigkeit und – subjektive – Kooperationsbereitschaft der Eltern (OLG Köln FamRZ 2013, 47; OLG Saarbrücken OLGR 2004, 155; OLG Frankfurt FamRZ 1999, 612 f.; KG FamRZ 2000, 502 f.).
Praxishinweise:
- In der Praxis werden vielfach nur allgemeine und pauschale Vorwürfe vorgebracht. Relevant sind aber allein konkret und detailliert beschriebene Umstände!
- Eine frühzeitige Einschaltung des Jugendamtes empfiehlt sich immer, weil der Stellungnahme des Jugendamtes letztlich eine entscheidende Wirkung zukommt.
Vermögen die Eltern nach der Trennung eine gemeinsame "Kommunikations- und Problemlösungsebene" nicht aufzubauen und ist dies – prognostisch – auch für die Zukunft nicht zu erwarten, ist die gemeinsame elterliche Sorge aufzulösen und die Sorge demjenigen Elternteil zuzuweisen, bei dem das Wohl des Kindes am besten gewahrt zu werden verspricht. Denn in diesem Fall steht die vom Kind wahrgenommene Zerstrittenheit der Eltern bzw. das anerkannte Desinteresse eines Elternteils an seiner Entwicklung dem Kindeswohl entgegen. Vielmehr gefährdet dann die "gemeinsame Sorge" eher das Kindeswohl (OLG Köln FamRZ 2013, 47).
Wenn sich der betreuende Elternteil vehement gegen die gemeinsame Sorge wendet und z.B. tiefgreifende Streitigkeiten im Rahmen des Umgangsrechts (mit-)verursacht, hält die Rechtsprechung i.d.R. die gemeinsame elterliche Sorge für ausgeschlossen, weil deren Aufrechterhaltung für das Kind belastenden Streit der Eltern erwarten lässt. Der fehlende Grundkonsens zwischen den Eltern (OLG Köln FamRZ 2005, 1275), der zu ständigen Auseinandersetzungen geführt hat und auch in Zukunft weitere Streitigkeiten befürchten lässt, wird ebenso als Begründung angeführt wie die mangelnde Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern, weil sich das Kind wegen des offenkundigen Desinteresses eines Elternteils und der Zerrüttung der Beziehung der Eltern immer wieder als Grund für die Streitigkeiten der Eltern gefühlt habe und sich immer wieder vergegenwärtigen müsse, dass es für die Eltern mit seinen Belangen ein "Zankapfel" sei (OLG Köln FamRZ 2013, 47). Auch die starke Belastung der Kinder durch erhebliche Streitigkeiten der Eltern im Rahmen des in der ehelichen Wohnung praktizierten Wechselmodells wurde als Grund genannt (OLG Köln FamRZ 2013, 47).
Hinweis:
Dieser Argumentation ist allerdings mit Vorsicht zu begegnen. Denn sie kann im Ergebnis dazu führen, dass der betreuende Elternteil die gemeinsame elterliche Sorge blockiert, entsprechende Umgangsrechtsverfahren geführt werden müssen und dadurch angeheizt im gerichtlichen Verfahren erhebliche verbale Angriffe und Streitigkeiten der Eltern den Anschein erwecken, dass die Eltern die Trennung noch nicht vollständig überwunden haben und sich deshalb auch nicht über die Angelegenheiten in der Erziehung der Kinder einigen können.
Zurückhaltung ist geboten, dann einen Elternteil mit der elterlichen Sorge zu "belohnen", der (auch) Minimalanforderungen hinsichtlich Kommunikation und Kooperation verweigert. Die Eltern haben sich vielmehr u...