(EuGH, Urt. v. 22.3.2017 – C-124/16) • Die deutschen Regelungen zur Zustellung eines Strafbefehls an Beschuldigte, die im Inland keinen festen Wohnsitz haben und gegen die ein Haftbefehl nicht möglich ist, sind mit EU-Recht vereinbar. Die EU-Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.5.2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren (ABl 2012, L 142, S. 1) verlangt nicht zwingend, dass der Beschuldigte bei Beginn der Einspruchsfrist tatsächlich Kenntnis von den Vorwürfen erlangt haben muss. Hingegen kommt es darauf an, dass das Verfahren fair ist und eine wirksame Ausübung der Verteidigungsrechte gewährleistet wird. Da § 44 StPO bei unverschuldetem Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässt, verfügt der Beschuldigte faktisch über eine ebenso lange Frist für den Einspruch, wie wenn er bei Zustellung Kenntnis erlangt hätte. Hinweis: Bislang ist teilweise als problematisch angesehen worden, dass nach der deutschen Regelung die Einspruchsfrist bereits mit Zustellung zu laufen beginnt und bei ihrem Ablauf der Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht. Nach Ansicht des EuGH hat der Beschuldigte nach deutschem Recht jedoch auch dann die Möglichkeit einer effektiven Verteidigung, wenn er verzögert Kenntnis von dem Strafbefehl erhält.

ZAP EN-Nr. 270/2017

ZAP F. 1, S. 411–411

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