Vermieter A ist Alleineigentümer einer 4-Zimmer-Wohnung in München-Laim, welche er an den Mieter B durch unbefristeten schriftlichen Wohnraummietvertrag aus dem Jahr 2005 vermietet hat. Mieter B kommt mit der vollen Mietzahlung für zwei aufeinanderfolgende Mieten in Verzug und erhält eine außerordentliche Kündigung durch den anwaltlichen Vertreter des Vermieters gestützt auf § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB mit einer angemessenen Auszugsfrist von 10 Tagen. Nachdem Mieter B nicht innerhalb der Auszugsfrist die Wohnung geräumt hat, erhebt Vermieter A Räumungs- und Herausgabeklage gegen Mieter B vor dem zuständigen Amtsgericht, Mietabteilung. In der anberaumten Güteverhandlung erklärt der Mieter B, dass bereits seit ca. 1 Jahr vor Zustellung der Räumungs- und Herausgabeklage, der volljährige Freund C als Untermieter mit in der Wohnung wohnt, wovon Vermieter A keinerlei Kenntnis hatte.
Frage: Wie sollte sich der Prozessbevollmächtigte des Vermieters in dieser Situation verhalten?
a) Rechtliche Vorbetrachtungen
Dogmatischer Ausgangspunkt ist, dass die Beendigung des Hauptmietvertrages aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse nicht zur Folge hat, dass der zwischen dem Hauptmieter und dem Untermieter geschlossene Untermietvertrag ebenfalls beendet wird. Dieser bleibt vielmehr wirksam (Staudinger/Rolfs, Neubearbeitung 2018, Stand v. 3.5.2019, § 546 BGB Rn 86 m.w.N. aus der Rspr.).
Der Gesetzgeber hat die vollstreckungsrechtliche Problematik für den Vermieter gesehen und aus praktischen Gründen in § 546 Abs. 2 BGB eine vertragliche Anspruchsgrundlage gegen jeden Dritten aufgenommen, dem Mitbesitz an der vermieteten Wohnung durch den Mieter überlassen wurde. Anspruchsvoraussetzungen von § 546 Abs. 2 BGB sind die Beendigung des Hauptmietvertrags, die Gebrauchsüberlassung an einen Dritten und die Geltendmachung des Rückgabeanspruchs gegenüber dem Dritten durch den Vermieter (Schmidt-Futterer/Streyl, 14. Aufl. 2019, § 546 BGB Rn 89). Ohne § 546 Abs. 2 BGB hätte der Vermieter einen derartigen Anspruch nur dann, wenn er aufgrund seines Eigentumsrechts oder eines anderen dinglichen Rechts (z.B. Nießbrauch) von jedem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen könnte (Staudinger/Rolfs, a.a.O., § 546 BGB Rn 86).
- Es muss ein wirksames Hauptmietverhältnis bestanden haben. Grundsätzlich belanglos ist daher, ob der Hauptmieter seinen Besitz schon vorzeitig aufgegeben hat oder ob der Mieter die Nutzung nach Vertragsende noch fortsetzt (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 546 BGB Rn 91). Anders ist dies nur, wenn der Mieter nach dem rechtlichen Vertragsende noch nicht zur Räumung verpflichtet ist, etwa weil ihm eine gerichtliche Räumungsfrist nach § 721 ZPO eingeräumt wurde (OLG München, Urt. v. 29.1.2015 – 23 U 3353/14, BeckRS 2015, 3556). Da der Anspruch nach § 546 Abs. 2 BGB von demjenigen nach § 546 Abs. 1 BGB abhängt, ist er für die Zeit der gerichtlichen Räumungsfrist ebenfalls gehemmt (AG Aachen, Urt. v. 18.10.1989 – 11 C 448/89, WuM 1989, 150).
Der Mieter muss den Gebrauch der Mietsache einem Dritten überlassen haben. Bei mehreren Hauptmietern ist es bereits nach dem Wortlaut ausreichend, wenn einer von ihnen den Gebrauch überlassen hat (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 546 BGB Rn 96 m.w.N.). Dritter in diesem Sinne ist jeder, der nicht personengleich mit dem Mieter oder Vermieter ist. Mitumfasst von § 546 Abs. 2 BGB sind also auch Angehörige des Mieters, die mit in der Wohnung leben. Eine eigenmächtige Besitzergreifung durch den Dritten reicht nicht aus (Staudinger/Rolfs, a.a.O., § 546 BGB Rn 90). Typischerweise Dritte sind Untermieter des oder der Hauptmieter.
- Eine Gebrauchsüberlassung erfordert Mitbesitz gem. § 866 BGB oder zumindest mittelbaren Besitz nach § 868 BGB, sodass eine gewisse Dauer der Überlassung zu fordern ist (Faustformel: Ein bloßer 3-wöchiger Besuch genügt nicht). Für § 546 Abs. 2 BGB unbeachtlich ist, ob der Mieter zur Gebrauchsüberlassung berechtigt war, ob er also beispielsweise untervermieten durfte (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 546 BGB Rn 97). Irrelevant ist also auch, ob eine Untervermietung genehmigt bzw. ob diese genehmigungsfähig nach § 553 BGB war.
Für den Vermieter ist bei der Räumungsvollstreckung zu beachten, dass er einen Vollstreckungstitel gegen alle Besitzer und Mitbesitzer des jeweiligen Mietobjekts erwirken muss, wobei nur Besitzdiener nach § 855 BGB ausgenommen sind. Vollstreckungsrechtlich ist daher ein Titel gegen den Untermieter (BGH, Beschl. v. 18.7.2003 – IXa ZB 116/03, ZMR 2004, 324), den Ehegatten und Lebenspartner (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O., § 546 BGB Rn 98) generell erforderlich, gegen den nichtehelichen Lebensgefährten nur dann, wenn sich deren Mitbesitz an der Wohnung klar und eindeutig aus den Umständen ergibt (BGH, Beschl. v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, NJW 2008, 1959). Ein Umstand, der auf den Besitz des Lebensgefährten schließen lässt, ist die Angabe der Wohnung als Meldeadresse gegenüber dem Einwohnermeldeamt (LG Mannheim, Urt. v. 5.4.2006 – 4 S 137/05, DWW 2006, 250), eine Anzeige an den Vermieter...