Infolge der zunehmenden grenzüberschreitenden Kriminalität häufen sich die Fälle, in denen mehrere Mitgliedstaaten für die Strafverfolgung in ein und demselben Fall zuständig sind. Dies stellt aus Sicht der Strafverfolger ein Problem dar, denn parallele oder mehrfache Strafverfolgungen können ineffizient und unwirksam sein, zudem werden möglicherweise auch die Rechte der betroffenen Personen beeinträchtigt, da eine Person wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden darf. Eine Übertragung solcher Strafverfahren auf ein anderes EU-Mitgliedsland ist derzeit EU-rechtlich nur lückenhaft geregelt und stützt sich deshalb weitgehend auf nationales Recht. Zwar haben die Mitgliedstaaten bereits 1990 ein Übereinkommen über die Übertragung von Strafverfahren unterzeichnet; dieses ist jedoch nie in Kraft getreten.
Die EU-Kommission macht daher jetzt einen weiteren Anlauf und beabsichtigt, einheitliche Regeln in der Gemeinschaft für eine solche Verfahrensübertragung zu schaffen, um Mehrfachverfahren und Fälle zu vermeiden, in denen es letztlich bei einer Straflosigkeit eines Täters bleibt. Sie hat daher jetzt einen Vorschlag erarbeitet, der gewährleisten soll, dass ein Strafverfahren in dem Mitgliedstaat durchgeführt wird, der am besten dafür geeignet ist, z.B. in dem Staat, in dem der Hauptteil der Straftat begangen wurde. In dem Verordnungsentwurf soll u.a. geregelt sein:
- eine Frist für die Entscheidung über die Übertragung eines Verfahrens;
- Vorschriften zu den Übersetzungskosten und den Auswirkungen der Übertragung von Verfahren;
- Pflichten hinsichtlich der Wahrung der Rechte der Verdächtigen und beschuldigten Personen sowie der Opfer;
- Vorschriften zur Nutzung grenzüberschreitender digitaler Kanäle für die Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden.
Damit soll erreicht werden, dass
- unnötige parallele Verfahren zu demselben Sachverhalt und derselben Person in verschiedenen Mitgliedstaaten vermieden werden, die zu einem Verstoß gegen den Grundsatz führen könnten, dass eine Person wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden darf (Grundsatz ne bis in idem);
- Fälle von Straflosigkeit vermieden werden, in denen z.B. die Übergabe auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls abgelehnt wird.
Die EU-Kommission sieht ihren Vorschlag als einen weiteren wichtigen Baustein im Hinblick auf die EU-Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität in der EU. Der Verordnungsentwurf bedarf jetzt zunächst der Erörterung im Europäischen Parlament und im Rat, bevor er förmlich beschlossen werden kann.
[Quelle: EU-Kommission]