Mit der Erkenntnis der Zuständigkeit des AG oder LG nach der sachlichen Zuständigkeit ist jedoch die Frage nach dem zuständigen Gericht nicht abschließend geklärt. So stehen derzeit bundesweit 638 AG und 115 LG zur Klärung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten in erster Instanz zur Auswahl. Unter Heranziehung der Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit ist das jeweils zur Entscheidung berufene konkrete AG oder LG genau zu bestimmen (s. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG). Die ZPO verwendet dahingehend den (althergebrachten und mehrdeutigen verfahrensrechtlichen) Begriff des Gerichtsstands.
Auch im Bereich der örtlichen Zuständigkeit hat der Gesetzgeber ein Regel-Ausnahme-Verhältnis geschaffen. Grundsätzlich bestimmt sich das zuständige Gericht nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten (§ 12 ZPO). Daneben sind jedoch die in §§ 20 ff. ZPO sowie in Spezialgesetzen (z.B. § 122 FamFG, § 20 StVG, § 215 VVG, § 14 UWG) geregelten besonderen Gerichtsstände zu betrachten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass hinsichtlich des besonderen Gerichtsstands der Gesetzgeber zwischen ausschließlichen Gerichtsständen, die aus Gründen der Sachnähe zwingend sind, und nicht-ausschließlichen Gerichtsständen unterscheidet. Regelungen zum besonderen ausschließlichen Gerichtsstand sind für den Rechtssuchenden zwingend. Dagegen hat der Kläger im Bereich der nicht-ausschließlichen Gerichtsstände auch die Möglichkeit abweichend vom besonderen Gerichtsstand den allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12 ff. ZPO) zu wählen (§ 35 ZPO). Dies hat letztendlich auch Auswirkungen auf die Möglichkeiten von sog. Gerichtsstandsvereinbarungen (s.u.; dazu Baur, a.a.O., 5. Kap., Rn 29 m.w.N.). Die Wahlfreiheit des Klägers begründet jedoch nicht, dass derselbe Streitgegenstand an mehreren Gerichten anhängig gemacht werden kann. Die Zuständigkeit ist alternativ und nicht kumulativ (so z.B. Pohlmann, Zivilprozessrecht, 5. Aufl. 2022, Rn 227).
Letztlich ist ein Gericht das örtlich zuständige Eingangsgericht, wenn in dessen Gerichtsbezirk ein Gerichtsstand begründet ist. Die Gerichtsbezirke werden durch die Gerichtsorganisations- bzw. GVG-Ausführungsgesetze der Länder bestimmt. Davon abweichend können per bundes- oder landesrechtlicher Ermächtigungen der Landesverordnungsgeber die örtliche Zuständigkeit für bestimmte Rechtsstreitigkeiten oder Verfahren auf einzelne Gerichte konzentriert werden (s. z.B. für das Mahnverfahren, § 689 Abs. 3 ZPO, vgl. m.w.N. Toussaint in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 47. Aufl. 2022, § 12 ZPO, Rn 6 ff.).
Hinweis:
Lässt sich der Gerichtsstand anhand der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung nach §§ 12 bis 35 ZPO nicht eindeutig bestimmen, ermöglichen §§ 36, 37 ZPO eine gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung. Dadurch wird ein lückenloser gerichtlicher Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und die Bestimmung des gesetzlichen Richters (§ 101 Abs. 1 S. 2 GG) gewährleistet. Die gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung erfolgt grds. durch das nächsthöhere Gericht im Instanzenzug (vgl. Baur, a.a.O., 5. Kap., Rn 39 m.w.N.).
a) Allgemeiner Gerichtsstand
Gemäß § 12 ZPO ist das Gericht, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, für alle gegen sie zu erhebenden Klagen zuständig. In §§ 13 ff. ZPO wird der allgemeine Gerichtsstand näher konkretisiert. Dieser Grundsatz bevorzugt den Beklagten, da er den Prozess nicht gewollt hat und auch den Zeitpunkt der Klageerhebung und den Verfahrensgegenstand nicht beeinflussen kann (so Baur, a.a.O., 5. Kap., Rn 30).
Für natürliche Personen gilt gem. § 13 ZPO der Wohnsitzgerichtsstand. Demnach wird das zuständige Gericht nach dem (tatsächlichen) Wohnsitz i.S.d. § 7 BGB des Beklagten bestimmt. Bei mehrfachen Wohnsitzen (z.B. Haupt- und Zweitwohnsitz, vgl. § 7 Abs. 2 BGB) stehen dem Kläger auch mehrere Gerichtsstände zur Auswahl (§ 35 ZPO). Die Staatsangehörigkeit des Beklagten ist dabei ohne Bedeutung (vgl. Bendtsen, a.a.O., § 13 ZPO, Rn 1). Nach § 15 ZPO besteht der Gerichtsstand des letzten Inlandswohnsitzes trotz Wohnsitzaufgabe bei exterritorialen Deutschen (§§ 18, 19 GVG) sowie im Ausland dauernd Beschäftigte des öffentlichen Dienstes fort. Die Norm schafft somit einen sog. Hilfsgerichtsstand für die genannten Personen (dazu Bendtsen, a.a.O., § 15 ZPO, Rn 1). Auch § 16 ZPO regelt den zugrunde zu legenden sog. Hilfsgerichtsstand, wenn der Wohnsitzgerichtsstand gerade nicht bestimmt werden kann. Demnach bestimmt sich der allgemeine Gerichtsstand bei wohnsitzlosen Personen durch den Aufenthaltsort im Inland. Ist dieser nicht bestimmbar, kommt der letzte bekannte Wohnsitz zum Tragen.
Der allgemeine Gerichtsstand für juristische Personen bestimmt sich gem. § 17 ZPO nach dem Sitz und ist damit das Gegenstück zum beschriebenen Wohnsitzgerichtsstand. Gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 ZPO gilt als Sitz der Ort, wo die Verwaltung geführt wird, wenn sich nichts anderes ergibt. Der allgemeine Gerichtsstand des Fiskus bestimmt sich nach § 18 ZPO und ist demnach der Sitz der Behörde, die den Fiskus entsprechend zu vertreten hat.
Hinweis:
So ist der Gerichtsstand für Rechtsstre...