Bei ungleicher Beteiligung stellt sich die Berechnung komplizierter dar. Hier ist die unterschiedliche Beteiligung der jeweiligen Beteiligten zu berücksichtigen.
Beispiel 7:
A und B werden gemeinsam verklagt, und zwar der A auf Zahlung von 10.000 EUR und der B auf Zahlung von 20.000 EUR. Die Klage wird abgewiesen. Der Streitwert wird auf 30.000 EUR festgesetzt. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Insgesamt steht dem gemeinsamen Anwalt der Beklagten eine Vergütung aus 30.000 EUR zu. Die Werte der einzelnen Klageanträge sind zu addieren. Eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV kommt mangels gemeinschaftlicher Beteiligung nicht in Betracht.
Insgesamt kann der Anwalt also netto wie folgt abrechnen:
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 30.000 EUR) |
1.241,50 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 30.000 EUR) |
1.146,00 EUR |
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Gesamt netto |
2.407,50 EUR |
Hier bieten sich verschiedene Berechnungsmethoden an.
2.1.2.3.1 aaa) Aufteilung nach Verhältnis der Gegenstandswerte
Zum einen wird vertreten, die Gesamtkosten streitwertanteilig zu verteilen und anzumelden (so OLG Bremen, Beschl. v. 23.11.2023 – 1 W 24/23).
1. Verteilungsmethode
Da der A mit 10.000 EUR am Gesamtstreitwert beteiligt war, wäre danach ein Drittel der Kosten, also (2.407,50 : 3 =) 802,50 EUR, zu seinen Gunsten anzumelden. Der B war mit 20.000 EUR am Gesamtstreitwert beteiligt, so dass zu seinen Gunsten zwei Drittel der Gesamtkosten anzumelden wären, mithin (2.407,50: 3 × 2 =) 1.605 EUR.
Diese Methode ist jedoch ungenau und im Ergebnis unzutreffend, da die Gebührendegression unberücksichtigt bleibt und auch bei mehreren Auftraggebern mit unterschiedlicher Beteiligung die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV nicht zutreffend abgebildet wird. Sie versagt zudem, wenn einzelne Gebühren nur bei einem Streitgenossen angefallen sind.
2.1.2.3.2 bbb) Aufteilung nach Verhältnis der Einzelhaftungen
Eine andere Verteilungsmethode besteht darin, auf die Haftungsanteile nach § 7 Abs. 2 RVG abzustellen. Dazu müssen zunächst die Einzelhaftungen ermittelt werden.
2. Verteilungsmethode
Gem. § 7 Abs. 2 RVG schuldet der A:
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000 EUR) |
798,20 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 10.000 EUR) |
736,80 EUR |
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Gesamt netto |
1.555,00 EUR |
Der B schuldet nach § 7 Abs. 2 RVG:
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 20.000 EUR) |
1.068,60 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 20.000 EUR) |
986,40 EUR |
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Gesamt netto |
2.075,00 EUR |
Dies ergibt eine fiktive Gesamtsumme i.H.v. 3.629,40 EUR
Danach wären zur Festsetzung anzumelden
– für den A:
2.407,50 EUR × 1.554,40 EUR/3.629,40 EUR = |
1.031,08 EUR |
– und für den B:
2.407,50 EUR × 2.075,00 EUR/3.629,40 EUR = |
1.376,42 EUR |
Gesamt |
2.407,50 EUR |
Diese Methode erscheint etwas genauer, da sie die Gebührendegression zum Teil berücksichtigt. Aber auch diese Berechnung ist letztlich ungenau.
2.1.2.3.3 ccc) Aufteilung nach Haftungsanteilen
Zutreffend ist es, die jeweiligen Alleinhaftungen zu ermitteln und die gesamtschuldnerische Haftung anteilig aufzuteilen (so OLG Bremen, Beschl. v. 19.4.2018 – 1 W 40/17).
3. Verteilungsmethode
Gem. § 7 Abs. 2 RVG schuldet der A:
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 10.000 EUR) |
798,20 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 10.000 EUR) |
736,80 EUR |
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Gesamt netto |
1.555,00 EUR |
Der B schuldet nach § 7 Abs. 2 RVG:
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 20.000 EUR) |
1.068,60 EUR |
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 20.000 EUR) |
986,40 EUR |
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Gesamt netto |
2.075,00 EUR |
Dies ergibt eine gesamtschuldnerische Haftung i.H.v.:
Einzelhaftung A |
1.555,00 EUR |
Einzelhaftung B |
2.075,00 EUR |
./. Gesamthaftung |
–2.407,50 EUR |
Gesamtschuld |
1.222,50 EUR |
Hieraus wiederum ergeben sich folgende Alleinhaftungen:
Einzelhaftung A |
1.555,00 EUR |
./. Gesamtschuld |
–1.222,50 EUR |
Alleinige Haftung |
332,50 EUR |
Einzelhaftung B |
2.075,00 EUR |
./. Gesamtschuld |
–1.222,50 EUR |
Alleinige Haftung |
852,50 EUR |
Hinsichtlich der gesamtschuldnerischen Haftung ist gem. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB davon auszugehen, dass A und B insoweit anteilig haften, also i.H.v. (1.222,50 EUR: 2 =) 611,25 EUR.
Das ergibt dann für A:
Alleinige Haftung |
332,50 EUR |
hälftige Gesamtschuld |
611,25 EUR |
Haftung im Innenverhältnis |
943,75 EUR |
und für B:
Alleinige Haftung |
852,50 EUR |
hälftige Gesamtschuld |
611,25 EUR |
Haftung im Innenverhältnis |
1.463,75 EUR |
Kontrolle: Gesamt A + B |
2.407,50 EUR |
Diese Methode ist letztlich die einzig richtige, da hier genau das angemeldet wird, was jeder Auftraggeber im Innenverhältnis tatsächlich auch schuldet.