Die Wohnungseigentümer haben jedoch einen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der konkreten Nutzung als Heilpraktiker- bzw. Naturheilpraxis der Wohneinheit ohne Einwilligung des Verwalters bzw. Genehmigung der Wohnungseigentümer gem. § 1004 Abs. 1 BGB, §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG i.V.m. der GO.
a) Nach der GO bedarf es hier für die gewerbliche oder sonstige berufliche Nutzung einer Wohneinheit der schriftlichen Einwilligung des Verwalters, wenn und soweit mit der Tätigkeit Einwirkungen auf das gemeinschaftliche Eigentum oder auf fremdes Sondereigentum verbunden sind, welche über das "übliche Maß" hinausgehen. Bezugspunkt für diese Regelung ist § 14 Nr. 1 WEG. Der Wortlaut "übliches Maß" nimmt erkennbar Bezug auf die langjährige Rechtsprechung zu § 14 Nr. 1 WEG, insbesondere auf die Grundsätze der sog. typisierenden Betrachtungsweise. Weiterhin ist das Einwilligungserfordernis auf alle Fälle anzuwenden, auch wenn auf der Hand liegt, dass die Tätigkeit nur mit unerheblichen Störungen verbunden ist. Zumindest die Verwaltung soll sich vorher mit der drohenden Nutzung auseinandersetzen.
b) Die Nutzung der Wohnung durch die Beklagte als Heilpraktiker- bzw. Naturheilpraxis rechtfertigt bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise die Annahme, dass die Nutzung über eine bloße Wohnnutzung hinausgeht und für die anderen Wohnungseigentümer darüber hinausgehende Nachteile begründet. Ferner sind diese Nachteile von den Eigentümern auch nicht gem. § 14 Nr. 1 WEG im "Interesse eines gedeihlichen Zusammenlebens in der Wohnanlage" hinzunehmen. Die Nutzung als Heilpraktiker- bzw. Naturheilpraxis liegt offensichtlich nicht mehr im Rahmen des "üblichen Maßes".
aa) Die Bezeichnung der Wohneinheit in der TE "als Wohnung", ist eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter. Hierdurch wird das Recht des jeweiligen Eigentümers, mit den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben zu verfahren, eingeschränkt. Dies hat aber nicht zur Folge, dass eine gewerbliche oder berufliche Nutzung der Wohnung von vornherein ausscheidet. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung lassen die TE und GO grundsätzlich auch eine andere Nutzung zu, sofern sie nicht mehr stört, als die der Zweckbestimmung entsprechenden Nutzung. Dies jedoch muss anhand einer "typisierenden Betrachtungsweise" festgestellt werden (BayObLG, Beschl. v. 20.7.2000 – 2 ZB R 50/00; OLG München ZMR 2005, 727 ff.; Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 13 Rn. 26; BGH Beschl. v. 16.6.2011 – V ZA 1/11). Die konkreten Umstände des Einzelfalls für die Beurteilung, ob eine Mehrbelastung vorliegt, müssen beachtet werden (OLG München a.a.O.). Es ist der Gebrauch und die Nutzung nach seiner Art und der damit verbundenen Folgen (z.B. zu erwartende Besucherfrequenz) zu konkretisieren und auf die zeitlichen und örtlichen Verhältnisse zu beziehen (Bärmann a.a.O.).
Hinweis:
Es kommt für die Frage der Mehrbeeinträchtigung nicht nur darauf an, ob eine Praxis generell mehr stört, als eine reine Wohnnutzung. Das Berufungsgericht führt aus, dass es vielmehr auch davon abhängig ist, welche Art von Praxis in der Wohnung betrieben wird und welchen konkreten Zuschnitt diese aufweist, insbesondere, ob diese als Einzel- oder Gemeinschaftspraxis und als Bestellpraxis betrieben wird. Ferner ist der Umfang des Patientenverkehrs, die Sprechstundenzeiten und die jeweiligen örtlichen Verhältnisse erheblich (OLG Hamm ZMR 2005, 219; OLG Frankfurt NZM 2006, 144). Allerding ist die Auslegung stets im Lichte der konkreten GO und TE zu sehen.
bb) Daher stört die Nutzung einer 2,5-Zimmer-Wohnung als Heilpraktiker- bzw. Naturheilpraxis typischerweise mehr, als eine reine Wohnnutzung. Wichtig ist hier der Patientenverkehr in der Praxis der Beklagten. Es kommt aber gerade nicht darauf an, ob ein Wohnungseigentümer das Recht hätte, in seiner Wohnung auch täglich bis zu fünf Besucher zu empfangen, sondern ob ein derart ausgeprägter Patienten-Besucherverkehr mit wechselnden und ggf. kranken Personen als typisch für eine Wohnnutzung einer 2,5-Zimmer-Wohnung gesehen werden kann. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist dies gerade nicht der Fall. Die hierdurch verursachten Störungen übersteigen auch das in § 14 Nr. 1 WEG bezeichnete "übliche Maß". Ferner handelt es sich bei der Gebäudeanlage um keine große Anlage. Das Wohngebäude mit der Praxis weist nur 16 Einheiten auf. Die Besucherfrequenz kann nicht abstrakt, sondern nur unter Bezugnahme auf den konkreten Zuschnitt der jeweiligen Wohnanlage beurteilt werden. So ist in einer kleinen Wohnanlage mit nur 10 Wohneinheiten ein Aufkommen von täglich fünf Patienten gewichtiger, als in einem Wohnhaus mit 100 Einheiten, bei welchem ohnehin wesentlich mehr Besucher verkehren und dabei beispielsweise das Treppenhaus (und anderes Gemeinschaftseigentum) entsprechend mehr beanspruchen.
Hinweis:
Im Rahmen der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise geht es nur um eine Berücksichtigung des generellen Zuschnitts des Betriebs. Es kommt nicht bloß auf die gegenwärtigen Öffnung...