Leitsätze des Bearbeiters:
- Die Nutzung einer Eigentumswohnung als Heilpraktiker- bzw. Naturheilpraxis geht bei gebotener "typisierender Betrachtungsweise" über das "übliche Maß" (§ 14 Nr. 1 WEG) der Nutzung zu Wohnzwecken hinaus.
- Der Antrag zum Unterlassungsanspruch kann sich nur gegen eine konkrete (zu bezeichnende) gewerbliche Nutzung richten und nicht auf eine gewerbliche Nutzung im Allgemeinen. Andernfalls fehlt es an der notwendigen Bestimmtheit und Vollstreckbarkeit.
LG München I, Urt. v. 26.1.2015 – 1 S 9962/14 WEG (rk), ZAP EN-Nr. 385/2015
Bearbeiter: Rechtsanwalt Dr. Tobias Krug, München
I. Vorbemerkung
Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) regelt unter § 14 Nr. 1 WEG grundsätzlich, dass jeder Wohnungseigentümer verpflichtet ist, sein Sondereigentum und das Gemeinschaftseigentum nur in solcher Weise zu gebrauchen, dass "dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst". Oft wird diese oder ähnliche Regelungen in Teilungserklärungen oder Gemeinschaftsordnungen übernommen, um die Nutzung des Eigentums zu regeln. Daher stellt sich oftmals die Frage, welche Art und Form der Nutzung des Wohn- und Teileigentums noch im Rahmen dieser Regelung liegt. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat hierzu bereits Hilfestellung gegeben und entschieden, dass anhand einer "typisierenden Betrachtungsweise" festgestellt werden muss, ob die Nutzung noch zweckbestimmt ist (BayObLG, Beschl. v. 20.7.2000 – 2 ZB R 50/00; OLG München ZMR 2005, 727 ff.; Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 13 Rn. 26; BGH, Beschl. v. 16.6.2011 – V ZA 1/11). Das heißt, es sind die Nutzung und die damit verbundenen Folgen in seiner konkreten – auch zeitlichen und örtlichen – Ausgestaltung zu betrachten und im Rahmen der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise zu prüfen, ob diese konkrete Ausgestaltung typischerweise über das übliche Maß der Nutzung hinausgeht.
II. Sachverhalt
Die auf Unterlassung klagende Wohnungseigentümergemeinschaft (Gemeinschaft) lehnt den Antrag der beklagten Heilpraktikerin auf Nutzung ihrer Ende 2012 erworbenen 2,5 Zimmer-Eigentumswohnung im zweiten OG als Heilpraktikerpraxis per Mehrheitsbeschluss ab. Die Gemeinschaft besteht aus zwei getrennten Gebäuden. Das Grundbuch und die Teilungserklärung (TE) legen ein reines Wohngebäude mit ausschließlich Wohneinheiten und ein reines Gewerbegebäude mit ausschließlich Gewerbeeinheiten fest. Dort befindet sich auch die streitgegenständliche Wohnung der Beklagten.
Die Gemeinschaftsordnung (GO) regelt, dass die Wohneinheiten ausschließlich der Wohnnutzung unterliegen und dass in den Wohnungen eine gewerbliche oder sonstige berufliche Tätigkeit "nur mit schriftlicher Einwilligung des Verwalters" ausgeübt werden darf, "wenn und soweit mit diesen Tätigkeiten Einwirkungen auf das gemeinschaftliche Eigentum oder auf fremdes Sondereigentum verbunden sind, die über das übliche Maß hinausgehen".
Die Beklagte nutzt ihre Wohnung, seit dem Erwerb gewerblich als Heilpraktikerpraxis bzw. Naturheilpraxis und empfängt dort werktäglich unstreitig bis zu fünf Patienten.
Die Gemeinschaft beschloss die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung der Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche gegen die zweckwidrige Gewerbenutzung der Beklagten und erhob Klage.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Heilpraktiker-Tätigkeit in der Wohnung ginge über das übliche Maß der Einwirkungen auf das Gemeinschaftseigentum (sowie auch das Sondereigentum) hinaus. Aufgrund des Patientenverkehrs von bis zu fünf Besuchern täglich, sei das (Sonder- und) Gemeinschaftseigentum über das übliche Maß hinaus beeinträchtigt, womit den übrigen Eigentümern ein nicht unerheblicher Nachteil entstünde. Die Patienten hätten freien Zugang zum Treppenhaus, den Wohnungstüren der übrigen Eigentümer, den Kellertüren, den Briefkästen usw., womit u.a. auch die Sicherheit des Gebäudes bzw. des Gemeinschafts- und Sondereigentums der übrigen Eigentümer betroffen und gefährdet sei. Jährlich würden daher über 500 fremde verschiedene Besucher das Wohngebäude benutzen. Diese Einwirkungen und der hieraus folgende Nachteil zu Lasten der sonstigen Eigentümer und des Gemeinschaftseigentums, hätten die weiteren Eigentümer der Gemeinschaft nicht zu dulden.
In erster Instanz wies das Amtsgericht die Klage der Gemeinschaft mit der Begründung ab, dass der Umfang der möglichen Beeinträchtigung nicht störend ist, da nicht mit mehr als fünf Patientenbesuchen täglich zu rechnen sei und dieses auch einer zulässigen Wohnnutzung mit Privatbesuchen von täglich drei bis sechs Freunden und Bekannten entspricht. Hiergegen richtete sich die Berufung der Gemeinschaft, die teilweise erfolgreich war.
III. Entscheidung
Das Berufungsgericht gab der Berufung insoweit Recht, als es die Beklagte verurteilte, es zu unterlassen, die Eigentumswohnung ohne Einwilligung des Verwalters oder der Eigentümerversammlung als Heilpraktiker- bzw. Naturheilpraxis zu nutzen oder zu diesem Zwecke zu vermieten. Bezüglich des weiteren Klagebegehrens, es zu unterlassen die...