Nach der Einführung der Ehe für alle ist eine Modernisierung des Abstammungsrechts wünschenswert. Diese Meinung vertraten die meisten der neun geladenen Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung im März im Rechtsausschuss des Bundestags. Gegenstand war ein aus Kreisen der Opposition eingebrachter Gesetzentwurf zur Anpassung der abstammungsrechtlichen Regelungen an das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts, wobei sich die Ausführungen der Experten auf das Modell "Mutter-Mutter-Kind" konzentrierten. Der Forderung nach einer abstammungsrechtlichen Gleichstellung von Frauen in lesbischen Beziehungen stand dabei die Kritik an einer Abweichung von Prinzipien des geltenden Abstammungsrechts gegenüber.
Der Entwurf verfolgt u.a. das Ziel, die gesetzliche Fiktion, wonach der Ehemann der Mutter automatisch der zweite rechtliche Elternteil des Kindes ist, auf die Ehefrau der Mutter zu erweitern. Die Fragen der Abgeordneten drehten sich vor allem um mögliche Auswirkungen der vorgesehenen Änderungen auf die Rolle der biologischen Väter, die Unterschiede zwischen Abstammungs- und Adoptionsrecht und Weiterentwicklungen dieser Regelungen sowie um die Möglichkeiten, eine Elternschaft anzufechten.
Für grundsätzlich begrüßenswert hielt die Expertin des Deutschen Juristinnenbundes den Gesetzentwurf. Zwar wäre eine umfassendere Reform des Abstammungsrechts wünschenswert, der Entwurf decke zumindest den aktuellen Minimalbedarf an einer Neuregelung ab, erklärte sie. Er sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, bedürfe jedoch im Detail der Überarbeitung. Auch die Vertreterin des Vereins Spenderkinder begrüßte das Anliegen der Verbesserung des Schutzes von Spenderkindern, deren Mutter mit einer Frau verheiratet ist. Diese seien rechtlich schlechter abgesichert als Spenderkinder, die in eine verschiedengeschlechtliche Ehe hineingeboren werden, meinte sie. Für sinnvoller als den im Entwurf enthaltenen Vorschlag halte der Verein eine Verbesserung der Rechtsstellung der Kinder durch die Möglichkeit zur präkonzeptionellen Anerkennung durch die Co-Mutter, die auch andere Sachverständige ins Spiel brachten. Zu hinterfragen sei auch die im Entwurf vorgesehene automatische Zuordnung der Ehefrau der Mutter.
Der Vertreter des Deutschen Anwaltvereins war der Auffassung, dass im Sinne einer Gleichbehandlung von Kindern gleichgeschlechtlicher und heterosexueller Paare die Genetik bzw. das bisherige Abstammungsrecht nicht mehr als Ausgangspunkt tauge. Angesichts des Korrekturbedarfs sei die Zielsetzung des Entwurfs daher sehr zu begrüßen. Im Unterschied dazu gebe es beim Adoptionsrecht von vornherein eine andere Ausgangssituation.
Gegen den Entwurf sprach sich hingegen u.a. der Vertreter vom Bundesverein Väteraufbruch für Kinder aus. Ein Kind könne biologisch nur von einem Mann und einer Frau abstammen – die genetische Abstammung müsse daher Grundsatz im Abstammungsrecht sein. Der Verein wünsche sich hier eine weniger ideologisch geführte Debatte. Zudem seien Kinder Träger eigener Rechte und nicht das Zuordnungsobjekt von Bedürfnissen Erwachsener.
Auch das Bundesjustizministerium arbeitet derzeit an einer Reform des Abstammungsrechts und hat kürzlich einen Diskussionsentwurf vorgelegt. Laut Ministerium kann das bestehende Abstammungsrecht die heutzutage gelebten Familienkonstellationen nicht mehr ausreichend abbilden, das geltende Recht solle daher unter Beibehaltung bewährter Elemente moderat fortentwickelt werden.
[Quelle: Bundestag]