Zusammenfassung
Es kann ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegenüber einem Inkassounternehmen bestehen, wenn dieses wahrheitswidrig mit einer Zahlungsaufforderung gegenüber einem angeschriebenen Verbraucher jedenfalls sinngemäß behauptet hat, dieser habe einen kostenpflichtigen Mobiltelefonanschluss bestellt, es sei also zu einem entsprechenden Vertragsschluss gekommen. Darin liegt eine unwahre Angabe i.S.v. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, wenn dieser Vertragsschluss tatsächlich nicht stattgefunden hat. Diese irreführende Angabe ist zudem geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (sog. wettbewerbliche Relevanz).
(red. Leitsatz)
OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.2021 – 15 U 128/19
I. Einleitung
Das OLG Hamburg (Urt. v. 28.1.2021 – 15 U 128/19, ZAP EN-Nr. 128/2021) hatte sich erneut mit der wettbewerbsrechtlichen Verantwortlichkeit eines Inkassodienstleisters für im Auftrag des Gläubigers (Auftraggebers) entfaltete Tätigkeit zu befassen. Im vorstehend erwähnten Fall ging es um ein Inkassomahnschreiben, in dem die (wie sich im Nachhinein herausstellte) unzutreffende Behauptung eines Vertragsabschlusses aufgestellt wurde. In einem früheren Verfahren des Senats (Urt. v. 11.6.2020 – 15 U 88/19) war es um einen nach Auffassung der Verbraucherschützer überhöhten Kostenerstattungsanspruch des Auftraggebers gegangen (s. dazu die Kurzbesprechung auf OUI unter https://onlineunternehmer-info.de/olg-hamburg-formulierungen-in-inkasso-mahnschreiben-und-inkassokostenerstattung/ ).
II. Sachverhalt
Ein Inkassounternehmen verschickte im Auftrag der T. Germany GmbH & Co. KG ein Mahnschreiben an eine Verbraucherin und begründete die geltend gemachten Forderungen entsprechend den von der Auftraggeberin erteilten Informationen damit, die Verbraucherin habe mit der Telefongesellschaft einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen. Da vorangegangene Mahnungen der Auftraggeberin als unzustellbar zurückgelangten, veranlasste das Inkassounternehmen eine Recherche bei der SCHUFA und erhielt daraufhin eine Adresse, unter der das Inkassomahnschreiben zugestellt werden konnte. Mangels Reaktion der Verbraucherin leitete das Inkassounternehmen das gerichtliche Mahnverfahren ein. Gegen den Mahnbescheid legte die Verbraucherin Widerspruch ein. Parallel dazu nahm sie das Inkassounternehmen – insofern erfolglos – auf Unterlassung in Anspruch und führte aus, dass sie keinen Mobilfunkvertrag abgeschlossen habe. Anschließend wendete sie sich an einen in die Liste qualifizierter Einrichtungen i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. § 4 UKlaG eingetragenen Verbraucherschutzverband, der das Inkassounternehmen abmahnte, weil die Behauptung des Vertragsabschlusses irreführend (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG) sei und zudem gegen das Per-Se-Verbot der Aufforderung zur Bezahlung nicht erbrachter Dienstleistungen verstoße (Nr. 29 Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG). Da keine Unterwerfung erfolgte, verklagte der Verbraucherschutzverband (Kläger) das Inkassounternehmen (Beklagte) auf Unterlassung, gegenüber einem Verbraucher ein Vertragsverhältnis zu behaupten, das tatsächlich gar nicht besteht.
Das LG Hamburg (Urt. v. 29.11.2018 – 416 HKO 122/18) wies die Klage ab. Es begründete dies im Wesentlichen damit, der BGH habe „judiziert, dass das Verbot richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass Nr. 29 des Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG dann keine Anwendung findet, wenn der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung ausgeht und der Irrtum seine Ursache nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmens hat (GRUR 2012, 82, 83 – Auftragsbestätigung).” Der Tatbestand des § 5 Abs. 1 S. 1 UWG sei ebenfalls nicht erfüllt, da es an der Spürbarkeit und an einer Verschleierung fehle. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung hatte Erfolg und führt zur Verurteilung dahingehend, dass die Beklagte es bei Vermeidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen hat,
Zitat
„(...) gegenüber einem Verbraucher in einem Forderungsschreiben zugunsten eines Auftraggebers der Beklagten zu behaupten, der Verbraucher sei aufgrund des Abschlusses eines Mobilfunkvertrages unter Zuweisung einer bestimmten Mobilfunknummer zur Zahlung einer Vergütung „(...) („Hauptforderung” nebst „Inkassovergütung”) verpflichtet, wenn in Wahrheit das im Inkassoschreiben genannte Mobilfunkverhältnis zwischen dem Auftraggeber der Beklagten und dem Verbraucher gar nicht existiert, (...)”
III. Urteilsbegründung und Analyse
Das Berufungsgericht sah entgegen der Vorinstanz die Voraussetzungen für den Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG als erfüllt an. Gemäß der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 6.6.2019 – I ZR 216/17 – Identitätsdiebstahl, ZAP EN-Nr. 631/2019) stelle das Versenden einer Zahlungsaufforderung eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Diese erfolge sowohl im Zusammenhang mit dem (vermeintlichen) Geschäftsabschluss der Auftraggeberin der Beklagten, also mit der Kundin (Verbraucherin), als auch i.R.d. mit der geschäftlichen Betätigung der Beklagten als Inkassodienstleisterin aufgrund des D...