Nach monatelangen Diskussionen haben sich die „Ampel”-Parteien auf eine gemeinsame Gesetzesgrundlage zur Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete und Asylbewerber geeinigt. Damit werde ein Wunsch der Länder umgesetzt, teilten ihre Bundestagsfraktionen Anfang April mit. Bereits Ende Januar hatten sich 14 Bundesländer auf ein gemeinsames Vergabeverfahren zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber geeinigt; dieses soll bis zum Sommer abgeschlossen sein. Um das Vorhaben durch ein Bundesgesetz abzusichern, hatte Bundessozialminister Hubertus Heil von seinem Ministerium einen Gesetzentwurf ausarbeiten lassen, dem auch das Bundeskabinett im März zugestimmt hatte. Das Vorhaben soll nun auf den parlamentarischen Weg gebracht werden.
Die sog. Bezahlkarte soll nach dem Willen der Koalitionsparteien eine weitere Möglichkeit darstellen, Asylbewerberleistungen auszuzahlen. Auf diese Karte sollen die Leistungen direkt digital gebucht werden; sie stellt zahlungstechnisch damit eine guthabenbasierte Karte mit Debit-Funktion dar, die auch ohne Verknüpfung mit einem Girokonto funktioniert. Das Geld soll nur im Inland ausgegeben werden können; zudem soll es möglich sein, die Einsatzmöglichkeiten etwa regional oder auf bestimmte Läden zu beschränken. So soll unterbunden werden, dass Geflüchtete mit der staatlichen Unterstützung etwa ihre Familien im Herkunftsland finanziell unterstützen oder Schlepper bezahlen. Während der Bund einheitliche Rahmenbedingungen formuliert, soll die konkrete Ausgestaltung der Bezahlkarte den Ländern überlassen bleiben.
Sowohl die Bundesrechtsanwaltskammer als auch der Deutsche Anwaltverein haben bereits erhebliche Bedenken gegen dieses Konzept erhoben. Die BRAK kritisiert vor allem, dass die Teilhabemöglichkeiten am sozialen und wirtschaftlichen Leben eingeschränkt würden, wenn das Geld nicht mehr frei verfügbar sei; insbesondere günstige Käufe über Kleinanzeigen oder Flohmärkte, die üblicherweise gegen Bargeld abgewickelt würden, wären dann nicht mehr oder nur begrenzt möglich. Zudem werde es Geflüchteten erschwert, anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen, da nicht sichergestellt sei, dass Kanzleien die Bezahlkarte akzeptierten. Dadurch werde das Recht auf freie Anwaltswahl, ein zentrales Verfahrensgrundrecht, beschnitten. Zudem sieht die BRAK die Gefahr, dass aufgrund der pauschalen Gewährung der Leistungen auf der Bezahlkarte das Existenzminimum nicht mehr durchgängig gewährleistet werden kann.
Diese Befürchtung teilt auch der Deutsche Anwaltverein. Auch er fordert, dass bei Ausgestaltung der Bezahlkarte das verfassungsrechtlich abgesicherte Existenzminimum gewahrt bleibt; dies setze z.B. voraus, dass eine „frei verfügbare Barabhebungsfunktion” vorhanden sein müsse. Der DAV prognostiziert des Weiteren eine „Vielzahl an Praxisproblemen”, etwa was den Einkauf von Geflüchteten in kleineren Geschäften oder auf Wochen- und Flohmärkten und auch an Kiosken angeht. Auch ein Ausfall von Kartenlesegeräten in Geschäften oder der Verlust der Karte dürfe nicht dazu führen, dass die Geflüchteten ohne weitere Einkaufsmöglichkeit dastünden. Absehbare Konflikte, so befürchtet der Verein, dürften eine Vielzahl von Widerspruchs-, Eil- und Klageverfahren nach sich ziehen. Das werde zu einer erheblichen Mehrbelastung der Verwaltung und der Justiz und damit zu erhöhten Kosten führen.
[Quellen: BRAK/DAV]
ZAP F., S. 403–408