Zusammenfassung
Bei der anwaltlichen Tätigkeit ist die Beachtung der vertraglichen Pflichten aus dem Anwaltsvertrag für jede Rechtsanwältin und jeden Rechtsanwalt bestens bekannt. Die dort drohenden Haftungsrisiken sind in Literatur und Rechtsprechung ausführlich beschrieben. Doch auch nach Ende des Mandates drohen nicht zu unterschätzende Haftungsrisiken, die bekannt sein sollten.
I. Einleitung
Jedes Mandat ist einmal beendet. Diese Erkenntnis mag banal klingen, bedarf jedoch tatsächlich einer tieferen Betrachtung. Wann nämlich ist ein Mandat wirklich beendet und weshalb ist das so relevant?
Mit der Beendigung des Mandates enden in erster Linie die unmittelbaren Sorgfaltspflichten der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwaltes aus dem Anwaltsdienstvertrag. Sicher als beendet anzusehen ist das Mandat, wenn Rechtsanwalt oder Auftraggeber den Anwaltsvertrag aufkündigen. Dann steht auch der Beendigungszeitpunkt des Mandates eindeutig fest.
Schwieriger wird es jedoch, wenn das Mandat durch Erfüllung des Auftrages gem. § 13 RVG beendet wird. Im Einzelfall mag es nämlich durchaus umstritten sein, ob und wann eine solche Erfüllung eingetreten ist. Dennoch ist die Bestimmung des genauen Beendigungszeitpunktes des Mandates elementar wichtig, da die eigentlich anwaltliche Tätigkeit – und damit die Pflicht zur bestmöglichen Erfüllung des Auftrages – hier ihr Ende findet.
Im Anschluss des Mandates treffen die Rechtsanwältin oder den Rechtsanwalt sodann nachvertragliche Pflichten im Zusammenhang mit dem Auftrag. Diese nachvertraglichen Pflichten sollten nicht unterschätzt werden, da deren Verletzung sowohl berufsrechtliche Konsequenzen als auch Schadenersatzansprüche des Mandanten nach sich ziehen kann. Die Kenntnis dieser Pflichten ist daher für jeden Rechtsanwalt unabdingbar.
II. Regelmäßige anwaltliche Pflichten bei Mandatsende
Nicht alle denkbaren nachvertraglichen Pflichten entstehen bei Beendigung des anwaltlichen Mandates. Eine ganze Reihe dieser Pflichten ist jedoch stets gegeben und findet sich insoweit auch kodifiziert in den Berufsordnungen.
1. Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung
a) Abrechnung nach Abgabenordnung
Bei jeder Beendigung eines Mandates besteht aufgrund des § 23 Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA), welche seit dem 1.6.2023 neu gefasst wurde, die Pflicht, die geleistete Tätigkeit gegenüber dem Mandanten bzw. Dritten, wie etwa einer Rechtsschutzversicherung, unverzüglich abzurechnen. Unter einer Abrechnung hat man dabei eine nach der Abgabenordnung ordnungsgemäße Rechnungslegung zu verstehen. Diese Rechnung muss daher mindestens eine Rechnungsnummer, einen Abrechnungszeitraum sowie die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Rechtsanwaltes enthalten. Außerdem ist der Rechtsanwalt grds. verpflichtet, eine schriftliche Abrechnung mit Originalunterschrift zu erteilen. Auf die inhaltliche Richtigkeit der Rechnung kommt es dabei i.S.d. § 23 BORA nicht an.
Außerdem hat die Abrechnung unverzüglich zu erfolgen. Der Begriff der Unverzüglichkeit ist an dieser Stelle wohl weiter zu fassen als etwa die Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung von Fremdgeldern. Bei Letzteren geht die berufsrechtliche Rechtsprechung regelmäßig von einer sehr kurzen Frist von bis zu drei Tagen aus. Vorliegend kann die unverzügliche Abrechnungspflicht eher als Abrechnung „ohne schuldhaftes Zögern” begriffen werden. Gerade bei komplizierten Mandatsverhältnissen mit vielen Einzelverfahren – wie etwa im Familienrecht oder bei einer Mehrheit von Mandanten/Dritten – wird man dem Rechtsanwalt für eine ordnungsgemäße Abrechnung mehr Zeit lassen müssen. Tatsächlich haben sich in der Vergangenheit Berufsrechtverstöße daher auch meist nur bei solchen Konstellationen ergeben, wo bei gleichzeitiger Zahlung hoher Vorschüsse nach Mandatsende keinerlei Abrechnung auch noch nach Monaten erfolgt ist. Wurde dann auf Intervention des Mandanten oder der Rechtsanwaltskammer abgerechnet, ergaben sich häufig hohe Rückzahlungsverpflichtungen des betroffenen Rechtsanwaltes wegen vereinnahmter Gebührenüberschüsse.
Eine solch verspätete Abrechnung kann nicht nur berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, sondern ist durchaus auch strafrechtlich relevant. Zu denken ist hier etwa an den Tatbestand der (versuchten) Untreue oder auch des (versuchten) Betruges. Darüber hinaus existiert der Tatbestand der Gebührenüberhebung, dessen Anwendung aber meist auf die Fälle beschränkt ist, bei denen Gebührentatbestände schlicht erfunden wurden.
b) Aufrechnung mit Fremdgeldern
Ist formal durch den Rechtsanwalt ordnungsgemäß abgerechnet worden, kann dieser seinen offenen Gebührenanspruch auch mit bestehenden Fremdgeldern aufrechnen. Eine Aufrechnung ist allerdings nur mit Fremdgeldern, die dem Mandanten zustehen gem. § 4 Abs. 2 BORA möglich. Insoweit gilt der Grundsatz: Erst abrechnen, dann aufrechnen.
c) Amtliche Verwahrung von Vermögenswerten und Fremdgeldern
Gehen Vermögenswerte und Gelder nach Beendigung des Mandates bei dem Rechtsanwalt ein, sind diese, genau wie während des bestehenden Mandates, sorgfältig zu behandeln. Insbesondere sind Fremdgelder nach wie vor unverzüglich an den Berechtigten weiterzuleiten, soweit es sich tatsächlich um Fremdgelder handelt, § 43a Abs. 7 BRAO, § 4 Abs. 1 S. 1 BORA. Ist eine Weiterleitu...