Jürgen Berners, Dr. Dario Arconada Valbuena
Bereits in HHG 7/2019 wurden die Handakte und deren Herausgabepflicht beleuchtet. Eine Entscheidung des Landgerichts Stuttgart (Urteil v. 16.1.2019, 27 O 272/18, DStRE 2019, S. 852, nrkr.) nimmt hierzu sehr detailliert Stellung. Gegen die Entscheidung wurde zwar Berufung eingelegt, trotzdem ist der Umfang des Antrags, dem das Landgericht zustimmte, für die Konkretisierung und die Ausgestaltung von Herausgabeklagen sehr hilfreich.
Im Fall begehrte der Mandant von seinem Steuerberater Auskunft, Einsicht in und Unterlassung der Vernichtung von Handakten. Die Tätigkeit des Mandanten bestand im Wesentlichen in der Durchführung von sog. Cum/Ex- und Cum/Cum-Transaktionen. Die Staatsanwaltschaft hat die Akten beschlagnahmt. Dem Auftragsverhältnis lagen die Mandatsvereinbarungen der steuerberatenden Berufe und die AGB der Wirtschaftsprüfer vom 1.1.2002 zugrunde.
Das LG hielt folgende Anträge für begründet
1. Erteilung einer schriftlichen Auskunft im Wege eines geordneten Verzeichnisses darüber, welche Unterlagen sich jeweils im Einzelnen in den Handakten befinden, die der Steuerberater/Wirtschaftsprüfer seit dem … angelegt hat.
Geordnetes Verzeichnis anlegen und übergeben
Diese Auskunft dient der Vorbereitung der eigentlichen physischen Herausgabe der Handakten. Es verpflichtet den Steuerberater sogar zur Übergabe eines geordneten Verzeichnisses, welche Unterlagen sich in den Handakten befinden. Mit anderen Worten: Wenn kein solches Verzeichnis besteht, ist es vom Steuerberater anzulegen. Als Grundlage dafür sieht das LG den Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Mandant und Steuerberater (§§ 675 Abs. 1, 667 BGB). Dies geht sehr weit. Denn § 667 BGB begründet nur die Pflicht des Steuerberaters auf "Herausgabe dessen, was er zur Ausführung des Auftrages erhält und aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat". Das Verzeichnis fällt nach Ansicht des Gerichts unter § 666 BGB. Danach muss der Auftragnehmer nach Ausführung des Auftrags "Rechenschaft" ablegen. Dies umfasse die Pflicht, in verkehrsüblicher Weise die wesentlichen Einzelheiten der Auftragsausführung darzulegen und dem Auftraggeber die notwendige Übersicht über das besorgte Geschäft zu verschaffen. Ob ein neu zu erstellendes Verzeichnis dazu zählt, ist m. E. sehr fraglich. Diese Entscheidung ist insofern wohl eher dem erheblichen Umfang der Handakten geschuldet.
2. In dem Verzeichnis sind die Unterlagen so genau wie möglich zu bezeichnen: nach Art des Schriftstücks, dem Thema der in ihm enthaltenen Information, dem Tag, an dem es verfasst wurde, und bei Korrespondenzen darüber hinaus Absender und Empfänger.
Zu Zusatzarbeiten verpflichtet
Auch dies geht m. E. erheblich über die "Herausgabe des Erlangten" hinaus und verpflichtet den Steuerberater zu Zusatzarbeiten.
3. Einsicht in die vollständigen Handakten ist zu gewähren.
Das Gericht bestimmte, dass "Handakten" sowohl in Papierform als auch mittels elektronischer Datenverarbeitung geführte Handakten seien. Dazu gehörten auch Dokumente, Schriftstücke, E-Mails, Dateien, Besprechungsprotokolle, Entwürfe, Präsentationen, Zeichnungen, Grafiken, handschriftliche Aufzeichnungen, Notizen sowie Vermerke, die der Steuerberater/Wirtschaftsprüfer im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit für den Mandanten angelegt oder erhalten hat.
Ausgenommen davon sind Notizen, Unterlagen, Protokolle und Berichte, die Arbeitshilfen für interne Zwecke darstellen sowie Unterlagen, die persönliche Eindrücke und vertrauliche Hintergrundinformationen darstellen. Dazu gehört auch der Schriftwechsel zwischen dem Steuerberater/Wirtschaftsprüfer und seinem Mandanten, sowie zu internen Zwecken gefertigte Arbeitspapiere.
Die "Handakten" sind das "Erlangte"
Das LG geht nicht auf die verschieden Handaktenbegriffe und deren Rechtsfolgen ein. "Handakten" gibt es nach
- § 66 StBerG mit der Folge eines Zurückbehaltungsrechts,
- § 320 BGB als Einrede des nichterfüllten Vertrags nur bezogen auf Arbeitsergebnisse (Hauptpflichten),
- § 273 BGB als Zurückbehaltungsrecht bez. konnexer Nebenpflichten
(vgl. HHG 7/2019).
Anders formuliert: Die "Handakten" sind das "Erlangte". Ein Zurückbehaltungsrecht bzw. die Einrede des nicht erfüllten Vertrags wurden nicht erklärt. Deswegen brauchte das Gericht nur auf das Auftragsrecht abzustellen.
4. Die obigen Entscheidungen dienen der Vorbereitung der Beantragung der konkreten physischen Herausgabe von bestimmten Handakten.
Keine Entscheidung über die Herausgabe
Das Teilurteil erging im Rahmen einer Stufenklage. Über die Herausgabe wurde daher nicht entschieden.
5. Die Steuerberater werden verurteilt, es zu unterlassen, die Handakten zu vernichten, die sie seit dem … angelegt haben.
Erneute Aufführung der Handakten
Hier führt das Landgericht die unter 2. bezeichneten Handakten wieder auf.
6. Nach Ansicht des LG besteht im Grundsatz für bereits an den Mandanten versandte Schreiben keine Herausgabepflicht. Denn es ist mit der Versendung bereits Erfüllung eingetreten (§ 362 BGB). Das Gericht betont jedoch, d...