I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit dem 1.10.2001 auf der Grundlage der ARB 75 eine Rechtsschutzversicherung, die Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen nach § 26 Abs. 4 ARB 75 umfasst. Die Regulierung von Versicherungsfällen erfolgt für den Versicherer durch die Beklagte.

Der Bruder der Ehefrau des Klägers hatte in einem notariellen Übergabevertrag vom 27.3.2003, Notariat ..., Az. ..., von seiner Mutter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück zu Alleineigentum übernommen und sich gegenüber der Ehefrau des Klägers und einer weiteren Schwester verpflichtet, spätestens zwei Monate nach dem Ableben der Mutter einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 1/3 des Verkehrswertes auszuzahlen.

Am 24.7.2005 verstarb die Übergeberin. Ausgehend von einem Verkehrswert von 20.000 EUR bezahlte der Bruder an die Ehefrau des Klägers einen Betrag von 6.666,66 EUR. Die Ehefrau des Klägers geht von einem Verkehrswert von 150.000 EUR aus und beabsichtigt, ihren Bruder auf Zahlung weiterer 43.333,34 EUR in Anspruch zu nehmen.

Die Beklagte verweigerte die Erteilung einer Deckungszusage unter Hinweis auf die Risikoausschlussklausel in § 4 (1)i ARB 75, die bestimmt: "Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Familienrechts und des Erbrechtes." (...)

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Anspruch der Ehefrau des Klägers unterfalle dem Risikoausschluss. Hierunter fielen spezifisch erbrechtliche Ansprüche aller Art, unabhängig davon, ob sich die Anspruchsgrundlage formal aus einem Vertrag oder unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Entscheidend sei, ob das Rechtsverhältnis in den Bereich des Erbrechts gehöre. Vorliegend gehe es um eine Rechtsposition, die der Ehefrau des Klägers mit Rücksicht auf ihr Erbrecht als Tochter der Übergeberin in dem Übergabevertrag eingeräumt worden sei. Es handele sich um einen Ausgleichsbetrag für eine vorzeitige Nachlassübergabe zu Lebzeiten der Erblasserin. Wenn die Interessenwahrnehmung aus dem Bereich eines bestimmten Rechtsgebiets ausgeschlossen sei, ergebe sich aus dieser weiten Wortfassung, dass konkurrierende Ansprüche aus nicht ausgeschlossenen Rechtsgebieten dann nichts am Ausschluss änderten, wenn sich die Interessenwahrnehmung nicht überwiegend auf die Vertretung der nicht ausgeschlossenen Ansprüche stütze. Daraus folge, dass der Risikoausschluss gemäß § 4(1) i ARB 75 als Bereichsausnahme weit auszulegen sei. Da Verträge in nahezu allen Rechtsgebieten geschlossen werden könnten, sei die Herkunft des Anspruchs aus einem Vertrag kein hinreichend deutliches Abgrenzkriterium. Andererseits sei der hier streitgegenständliche Übergabevertrag aber ein typischer Vertrag zur Regelung erbrechtlicher Rechtsfragen. Somit stamme die Angelegenheit, für die der Kläger Rechtsschutz begehre, aus dem Bereich des Erbrechts und sei vom Versicherungsschutz nicht umfasst.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein Klagbegehren in vollem Umfang weiter verfolgt.

II. Die Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf den für seine mitversicherte Ehefrau begehrten Versicherungsschutz. Deren gegen ihren Bruder beabsichtigte Klage betrifft keine vom Versicherungsschutz nach § 4(1)i ARB 75 ausgeschlossene Wahrnehmung von Interessen aus dem Bereich des Erbrechts.

1. Der wirtschaftliche Zweck der Ausschlussklausel mag durchaus darin bestehen, die besonders "streitträchtigen" Rechtsgebiete des Erb- und Familienrechts vom Versicherungsschutz auszuklammern, da sie für den Versicherer nicht überschaubare und nicht berechenbare Risiken darstellen, die eine vernünftige, wirtschaftliche Prämienkalkulation sehr stark erschweren oder gar unmöglich machen und sich vor allem mit dem Bestreben nicht vertragen würden, die Beiträge möglichst niedrig und damit für die Masse der in Betracht kommenden Versicherungskunden akzeptabel zu gestalten (Harbauer/Maier, Rechtsschutzversicherung, 2004, § 4 ARB 75, Rn 1 mit Hinweis auf BGH NJW 1976, 106).

Es wird auch zutreffen, dass der Ehefrau des Klägers ihre Rechtsposition gerade mit Rücksicht auf ihre Stellung als gesetzliche Erbin ihrer Mutter eingeräumt worden ist. Das Anwesen wurde einem der drei gesetzlichen Erben zu Alleineigentum übertragen, wobei die Interessen der beiden anderen Kinder, die im Vertrag auf Seite 1 als "die weichenden Erben" bezeichnet werden, durch den Anspruch auf ein Gleichstellungsgeld in Höhe eines Drittels des Verkehrswertes berücksichtigt wurden. Die Vertragsparteien selbst fassten diese Regelungen in Ziffer 2 des Vertrages unter der Überschrift "vorweggenommene Erbfolge" zusammen. Der in Streit stehende Anspruch gründet somit auf einem Rechtsgeschäft, in dem die Übergeberin als (künftige) Erblasserin schon zu ihren Lebzeiten einen Teil ihres Vermögens auf ihren Sohn als einen der gesetzlichen Erben übertragen und diesen zur Zahlung eines Gleichstellungsbetrages an seine beiden Schweste...

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