Nach deutschem Recht ist der Pflichtteilsberechtigte, mit Ausnahme der §§ 2305, 2306 BGB am Nachlass nicht beteiligt. Ihm wird nur ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Erben gewährt. In der Schweiz hingegen stellt das Pflichtteilsrecht grundsätzlich ein echtes materielles Erbrecht, ein sog. Noterbrecht, dar. Der auf den Pflichtteil gesetzte Erbe ist anders als nach deutschem Recht Mitglied der Erbengemeinschaft.
Im Hinblick auf das Auskunftsrecht nach Art. 400 Abs. 1 OR wird in der schweizerischen Bankenpraxis keine Unterscheidung zwischen pflichtteils- und nicht pflichtteilsberechtigten Erben vorgenommen.
Wer nunmehr denkt, dass ein Pflichtteilsberechtigter mit Vorlage seiner Geburtsurkunde und anderer Abstammungsnachweise (Vaterschaftsanerkennung etc.) gegenüber Schweizer Banken Auskunftsrechte wie der Erbe (s. o.) geltend machen kann, der irrt. Die jeweiligen Nachlassabteilungen, insbesondere die der Großbanken, darunter die UBS und die Credit Suisse, werden von ausländischen Rechtsanwälten zu den jeweiligen nationalen Erbrechtsregelungen beraten. Dass der Pflichtteilsberechtigte nach deutschem Recht außerhalb des Nachlasses steht, ist daher auch in der Schweiz bekannt.
Der Pflichtteilsberechtigte ist somit auch auf Schweizer Boden auf die Geltendmachung seines ihm nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB zustehenden Auskunftsanspruchs gegenüber dem Erben beschränkt. Vom Umfang her erstreckt sich sein Auskunftsanspruch auf das gesamte, daher auch auf das im Ausland belegene Vermögen.
Gerade bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen dürften Vermögenstransfers des Erblassers zur Errichtung von Stiftungen oder Trusts, die über Schweizer Konten des Erblassers gelaufen sind, besonders interessant sein.
Um Druck auf den auskunftspflichtigen Erben aufzubauen, ist in Konstellationen, in denen dem Pflichtteilsberechtigten Indizien für das Vorhandensein von Bankenkapital in der Schweiz vorliegen, an die Geltendmachung der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu denken, § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB. Die derzeitige Rechtsprechung lässt eine Tendenz zu weitreichenden Ermittlungspflichten des Notars erkennen. Der Notar hat den Erben auf eigene Aufklärungsmöglichkeiten und Auskunftsansprüche gegen Banken und sonstige Dritte hinzuweisen und dazu aufzufordern, diese Ansprüche auch geltend zu machen. Der Erbe kann sich, wie unter Ziff. 1 dargestellt wurde, im Hinblick auf das bei einer Schweizer Bank belegene Vermögen Nachweise über Vermögenstransaktionen des Erblassers der letzten 10 Jahre besorgen und diese zur Errichtung des amtlichen Verzeichnisses dem Notar vorlegen. Für die Erstellung des Nachlassverzeichnisses ist die Auswertung von Belegen erforderlich, die der Pflichtteilsberechtigte in diesem Zusammenhang einsehen kann, sofern er von seinem Recht nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB Gebrauch macht, bei der Errichtung des Verzeichnisses hinzugezogen zu werden.