Leitsatz
1. Erklärt ein minderjähriges Kind die Ausschlagung einer Erbschaft, so hat das Familiengericht im Rahmen der Prüfung, ob es die Ausschlagung genehmigt, eigene Ermittlungen anzustellen. Neben der Beiziehung der Nachlassakte sowie gerichtsinternen Nachfragen ist unter anderem erforderlich, dass eine sorgfältige Prüfung einer möglichen Überschuldung vorgenommen wird und die Gründe für vorhergehende Erbausschlagungen ermittelt werden.
2. Das minderjährige Kind trifft keine Obliegenheit zur Glaubhaftmachung seiner Ausschlagungsgründe, insbesondere einer Überschuldung des Nachlasses.
3. Haben vor dem minderjährigen Kind bereits andere, dem Erblasser im Verwandtschaftsgrad näherstehende Personen die Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen, so kommt diesen Ausschlagungen eine Indizwirkung zu.
4. Das Familiengericht hat zur weiteren Ermittlung die vorhergehend ausschlagenden Personen über den Bestand des Nachlasses zu befragen, ggf. persönlich anzuhören. Es ist davon auszugehen, dass nahe Angehörige des Erblassers über zuverlässige Erkenntnisquellen im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse des Erblassers verfügen.
Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 11. September 2018 – 13 WF 114/18
Sachverhalt
Das beschwerdeführende minderjährige Kind begehrt die gerichtliche Genehmigung einer für es erklärten Erbausschlagung in einer Nachlassangelegenheit. Die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter hat nach Versterben des ..., des Großonkels väterlicherseits des Kindes, nachdem neben weiteren möglichen Erben auch der Kindesvater die Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen hatte, die Erbschaft für das Kind ebenfalls wegen Überschuldung ausgeschlagen und hierfür die familiengerichtliche Genehmigung erbeten.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Genehmigung versagt, da die gesetzliche Vertreterin eine Überschuldung des Nachlasses in Ansehung eines hierein fallenden Anspruchs über 3.816,69 EUR aus einer Risikolebensversicherung nicht nachgewiesen habe.
Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Amtsgericht mit Nichtabhilfebeschluss vom 2.7.2018 dem Senat vorgelegt. Die Beschwerdeführerin erbittet zuletzt die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht nach § 69 Abs. 1 S 3 FamFG.
Aus den Gründen
Die nach § 58 ff statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen die Endentscheidung des Amtsgerichts, die einer Selbstabhilfe durch das Amtsgericht nicht zugänglich ist (§§ 11 Abs. 1 RPflG, 68 Abs. 1 S 2 FamFG), hat vorläufig Erfolg dahin, dass die Sache aufzuheben und an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist, § 69 Abs. 1 S 3 FamFG. Die Erbausschlagung ist genehmigungsbedürftig nach § 1643 Abs. 2 S 1 BGB, da die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter außerhalb des Erbganges steht, sodass die Ausnahmevoraussetzungen einer Genehmigungsfreiheit nach S 2 dieser Bestimmung fehlen. Die Ausschlagung eines überschuldeten Nachlasses entspricht regelmäßig sowohl dem Kindeswohl als auch den Vermögensinteressen des Kindes.
Das Verfahren des Amtsgerichts, das in den Beschlussgründen keine materiell-rechtliche Prüfung vorgenommen hat, nach dessen Standpunkt es allerdings gleichfalls auf eine Überschuldung des Nachlasses ankommt, leidet an einem wesentlichen Mangel, weil es diesen von ihm selbst für erheblich gehaltenen Umstand nicht ausreichend aufgeklärt hat. Das Verfahren zur familiengerichtlichen Genehmigung einer Erbausschlagung nach § 1643 Abs. 2 BGB ist eine Kindschaftssache nach § 151 Abs. 1 Nr. 1 FamFG (vgl. Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 151 FamFG, Rn 7); in diesen Verfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG). Das Familiengericht ist deshalb verpflichtet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und hierbei sämtliche Umstände zu ermitteln, die ihm eine Prüfung und Gesamtwürdigung der entscheidungserheblichen Umstände ermöglichen. Dabei muss das Gericht zwar nicht jeder nur denkbaren Möglichkeit nachgehen. Der Umfang der einzuleitenden und durchzuführenden Amtsermittlung ist aber so weit auszudehnen, wie es die Sachlage erfordert. Richtung und Umfang der Ermittlungen, die sich stets an der Lage des Einzelfalls orientieren müssen, werden durch die Tatbestandsmerkmale der anzuwendenden materiell-rechtlichen Vorschriften bestimmt und begrenzt. Zur Frage der Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind bedarf es über gerichtsinterne Nachfragen hinaus weiterer Ermittlungen. Dazu gehören neben der – hier zum 9.11.2017 erfolgten – Beiziehung der Nachlassakten eine sorgfältige Prüfung einer möglichen Überschuldung sowie die Ermittlung der Gründe bereits erfolgter vorrangiger Erbausschlagungen (vgl. Prütting in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 26 FamFG, Rn 35 b).
Das Amtsgericht ist demgegenüber verfahrensfehlerhaft davon ausgegangen, die Erteilung der Genehmigung hinge von der Glaubhaftmachung eines Ausschlagungsgrundes ab (vgl. 5). Eine die gerichtliche Ermittlungspflicht des Gerichts möglicherweise einschränkende Obliegenheit zur Glaubhaftmachung eines Aussch...