Ganz so einfach scheint es nicht zu sein, jedenfalls wenn man den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamts glaubt. Zwar steigt die statistische Lebenserwartung der Deutschen seit Langem stetig an und auch das vererbte bzw. verschenkte Vermögen ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Allerdings scheint eine unmittelbare Korrelation zwischen beiden Phänomenen dann doch nicht zu bestehen. Denn während das steuerpflichtig übertragene Vermögen im Zeitraum 2010 bis 2021 von gut 168 Mio. EUR auf knapp 240 Mio. EUR pro Jahr angewachsen ist (immerhin stattliche rund 43 %), stieg die statistische Lebenserwartung im gleichen Zeitraum nur deutlich verhaltener an, nämlich um durchschnittlich 0,1 zusätzliches Lebensjahr pro Jahr – und das ohne Berücksichtigung der jüngsten pandemiebedingten Sondereffekte.

Natürlich hängt die Lebenserwartung und auch die statistische Wahrscheinlichkeit, älter zu werden, entscheidend mit einem hohen Lebensstandard und damit einhergehender guter medizinischer Versorgung zusammen. Aber offenbar führt eine (nominelle) Steigerung des verfügbaren Vermögens nicht automatisch zu einer proportionalen Verlängerung der noch verbleibenden Lebenszeit.

Das hat sicher vielfältige Gründe, nicht zuletzt auch den, dass die Weichen für ein langes Leben zum Großteil bereits in der Jugend gestellt werden und nicht erst im Alter. Außerdem ist nach verschiedenen Studien das Vermögen in der Bevölkerung sehr ungleichmäßig verteilt, sodass die Gesamthöhe der jährlich übergegangenen Werte kaum einen Rückschluss auf das individuelle Wohlergehen der Bevölkerung zulässt. Immerhin jede achte Erbschaft ist angeblich vermögenslos. Und jeder 50. Erblasser hinterlässt ein Vermögen von mehr als einer Milliarde EUR.

Nicht zu vernachlässigen ist aber sicher auch der Aspekt, dass in Geld ausgedrückte Vermögenswerte sowohl von steigenden Märkten (z.B. im Bereich Immobilien) als auch von inflationären Entwicklungen beeinflusst werden – die Lebenserwartung aber nicht, weder die statistische noch die individuelle.

Gerade beim Übergang von Immobilienvermögen schlugen in den letzten Jahren ganz andere Verkehrswerte bzw. steuerliche Bemessungsgrundlagen zu Buche als zuvor. Ob dieses nominelle Wachstum tatsächlich auch als ein reales anzusehen ist bzw. war, wird heftig diskutiert. Dass nomineller Vermögenszuwachs das Leben verlängert, kann aber sicher ausgeschlossen werden.

Mithin kann die (statistische) Lebenserwartung offenbar nicht in Geldbeträgen ausgedrückt oder quantifiziert werden. Wie lange man lebt, hängt nicht unmittelbar mit dem Vermögen oder dessen Wert zusammen. Bleibt also die Erkenntnis, dass Vorsorge und Planung – gerade angesichts steigender Vermögenswerte – nach wie vor ratsam sind. "Der Herr kann stündlich kommen", man weiß nur eben nicht genau wann. Und der ungeplante Erbfall ist nach wie vor das größte Risiko für den generationenübergreifenden Vermögenserhalt. Denn Streit, Pflichtteilsansprüche und Steuern drohen sozusagen immer – egal wie alt der Erblasser am Ende ist.

ZErb 1/2023, S. I

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