I.
Die Beteiligte ist die Ehefrau des Erblassers und sie hat die Kopie eines vom Erblasser unter dem Datum des 2.1.1976 errichteten Testaments, das sie als Alleinerbin bestimmt, zur Eröffnung beim Nachlassgericht eingereicht. Dazu hat sie vorgetragen, der Erblasser habe diese Kopie gefertigt und ihr zur Aufbewahrung überreicht. Aus welchem Grund er ihr nicht auch das Original übergeben habe, sei nicht bekannt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Nachlassgericht die Eröffnung der Testamentskopie abgelehnt. Mangels hinreichender Gewähr einer vollständigen und unverfälschten Wiedergabe sei eine Kopie nicht zu eröffnen.
Hiergegen beschwert sich die Beteiligte. Das Nachlassgericht hat an seinem Rechtsstandpunkt festgehalten und zur Begründung seines Nichtabhilfe- und Vorlagebeschlusses ergänzend ausgeführt, ob das Testament Grundlage für die Erteilung eines die testamentarische Erbfolge ausweisenden Erbscheins sein könne, sei im Erbscheinserteilungsverfahren zu prüfen; ein die testamentarische Erbfolge ausweisender Erbschein könne trotz Nichteröffnung der Testamentskopie beantragt werden.
(…)
II.
Die nach Maßgabe von §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten gegen die vom Nachlassgericht abgelehnte Eröffnung der von der Beteiligten eingereichten Testamentskopie ist begründet.
Nach § 348 Abs. 1 S. 1 FamFG hat das Nachlassgericht, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt, eine in seiner Verwahrung befindliche Verfügung von Todes wegen zu eröffnen. Die sich im hiesigen Verfahren stellende Frage, ob auch die Kopie eines Testaments zu eröffnen ist, wird nicht einheitlich beantwortet.
Das AG hat sich im angefochtenen Beschluss der in der älteren Rechtsprechung (soweit ersichtlich zuletzt: BayObLG NJWE-FER 2000, 165) und von Teilen der Literatur (MüKo-FamFG/Muschler, 3. Aufl. 2019, § 348 Rn 12, mit weiteren Nachweisen in FN 37; s. auch zu § 2260 BGB, der durch § 348 FamFG ersetzt wurde: MüKo-BGB/Hagena, 4. Aufl. 2004, §§ 2260 Rn 15 mit weiteren Nachweisen in der FN 29; Prütting/Helms/Fröhler, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 348 Rn 15; BeckOK-FamFG/Schlögel, 43. Edition, Stand: 1.7.2022, § 348 Rn 7; Bumiller/Harders/Harders, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 348 Rn 7; Kroiß/Horn/Solomon/Poller, Nachfolgerecht, 2. Aufl. 2019, § 348 FamFG Rn 10; Firsching/Graf/Krätzschel, Nachlassrecht, 11. Aufl. 019, § 37 Rn 3) vertretenen Auffassung, wonach einfache Abschriften oder Kopien einer letztwilligen Verfügung nicht zu eröffnen sind, angeschlossen. Zur Begründung dieser Sichtweise wird angeführt, bei einer einfachen Abschrift einer letztwilligen Verfügung oder einer Kopie bestehe keine hinreichende Gewähr einer vollständigen und unverfälschten Wiedergabe des vollen Inhalts (MüKo-FamFG/Muschler, a.a.O., § 348 Rn 12). Ferner wird darauf verwiesen, dass auch ein verlorengegangenes Testament nicht eröffnet werden könne, gleichwohl ein Erbschein erteilt werden könne (Firsching/Graf/Krätzschel, Nachlassrecht, a.a.O., § 37 Rn 3).
Die gegenteilige Auffassung hat jüngst das OLG München (Beschl. v. 7.4.2021 – 31 Wx 108/21, juris) vertreten und zur Begründung darauf verwiesen, dass die Erbfolge auch auf der Grundlage von nur noch in Kopie vorhandenen Testamenten festgestellt werden könne; dann sei konsequenterweise auch die Kopie zu eröffnen. Die eine Pflicht des Nachlassgerichts zur Eröffnung auch einer Testamentskopie bejahenden Literaturstellen verweisen auf die weiteren von der Eröffnung abhängenden Wirkungen, dies sind z.B. der Beginn der Ausschlagungsfrist, Mitteilungen an das Grundbuchamt sowie an das Erbschaftsteuerfinanzamt (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 348 Rn 15, mit weiteren Nachweisen in FN 18; zu den Folgen der Eröffnung: § 348 Rn 37’ff.), und auf den Normzweck von § 348 FamFG (Haußleiter/Schemmann, FamFG, 2. Aufl. 2017, § 348 Rn 3; ohne Begründung: Burandt/Rojahn/Gierl, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 348 Rn 2).
Der Senat schließt sich der zweitgenannten Auffassung an. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Sinn und Zweck des Testamentseröffnungsverfahrens ist es, im öffentlichen Interesse, nämlich im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit, durch zeitnahe amtliche Feststellung und Bekanntgabe vorhandener Verfügungen von Todes wegen, ganz gleich welcher Art, eine geordnete Nachlassabwicklung sicherzustellen. Daneben soll dem privaten Interesse der Beteiligten Rechnung getragen werden und ihnen soll durch die Testamentseröffnung zeitnah die Gelegenheit gegeben werden, die Verfügung auf ihre Rechtswirksamkeit und ihren Inhalt hin zu überprüfen sowie ihre Rechte am Nachlass wahrzunehmen (vgl. statt aller: MüKo-FamFG/Muschler, a.a.O., § 348 Rn 1). Die Testamentseröffnung ist dem Rechtspfleger übertragen, § 3 Nr. 2c RPflG; geboten ist eine beschleunigte Sachbehandlung (vgl. Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 348 Rn 19). Dementsprechend findet auch nur eine summarische Plausibilitätsprüfung dahingehend statt, ob sich das dem Nachlassgericht vorliegende Schriftstück nach Form und Inhalt als Verfügung von Todes ...