Die (persönliche) steuerliche Anknüpfung – und im Übrigen auch die sachliche – geht in Deutschland weiter als in der Schweiz, indem das deutsche Besteuerungsrecht nicht nur beim Erblasser, sondern auch beim Erbberechtigten anknüpft.
Außerdem kann das Nachlassvermögen gem. Art. 4 Abs. 3 DBA-E nach deutschem Recht besteuert werden, wenn der Erblasser – trotz des Mittelpunkts seiner Lebensinteressen in der Schweiz – in den letzten fünf Jahren vor seinem Tod in Deutschland über eine ständige Wohnstätte verfügte. Eine ständige Wohnstätte liegt zumindest nicht vor, wenn die Wohnstätte Erholungs- oder ähnlichen Zwecken dient (eine Mietwohnung genügt aber). Beim erwähnten Mechanismus handelt sich um ein konkurrierendes (überdachendes und unbeschränktes) Besteuerungsrecht Deutschlands, das ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit und ohne Erfordernis eines Wegzugs aus Deutschland zur Anwendung gelangt. Allein die Tatsache, dass der Erblasser im Zeitpunkt des Todes während mindestens fünf Jahren eine ständige Wohnstätte in Deutschland hatte, führt zur steuerlichen Anknüpfung. Die resultierende Doppelbesteuerung wird durch Anrechnung der schweizerischen Steuern vermieden, nachdem der Schweiz das primäre Besteuerungsrecht zusteht (Art. 8 und Art. 10 DBA-E).
Parallel zur soeben erwähnten Regelung lässt das DBA-E auf Seiten der Erben eine steuerliche Anknüpfung in Deutschland zu, wenn ein Erbe, der nicht Schweizer Staatsangehöriger ist, im Zeitpunkt des Todes des Erblassers in Deutschland eine ständige Wohnstätte hatte (selbst wenn der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen außerhalb Deutschlands liegt; vgl. Art. 8 Abs. 2 DBA-E). Es ist nicht erforderlich, dass die ständige Wohnstätte in Deutschland während einer bestimmten Dauer bestand.
Auf Seiten des Erblassers wiederum hat Deutschland gem. Art. 4 Abs. 4 DBA-E noch ein zweites konkurrierendes (überdachendes und unbeschränktes) Besteuerungsrecht bei einem Wegzug (und wenn anschließend keine ständige Wohnstätte mehr vorliegt). Nach dieser Regelung besteht auch ein Besteuerungsrecht Deutschlands, wenn der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor Aufgabe der letzten Wohnstätte in Deutschland während einer Dauer von mindestens fünf Jahren über (irgend)eine deutsche Wohnstätte verfügte. Dieses konkurrierende Besteuerungsrecht Deutschlands erlischt fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erblasser die letzte ständige Wohnstätte in Deutschland aufgegeben hatte. Zieht also eine Person aus Deutschland weg (ohne, dass in Deutschland eine ständige Wohnstätte verbleibt) und verstirbt im folgenden Jahr, muss Deutschland nicht zwingend ein Besteuerungsrecht zustehen. Hatte der Erblasser nämlich vor dem Zuzug in die Schweiz während bloß zweier Jahre eine ständige Wohnstätte in Deutschland unterhalten, sind die Kriterien nach Art. 4 Abs. 4 DBA-E nicht erfüllt. Hingegen greift das deutsche Besteuerungsrecht, wenn der Erblasser während acht Jahren vor dem Wegzug in die Schweiz in Deutschland eine ständige Wohnstätte unterhielt und diese erst zwei Jahre vor seinem Tod im Rahmen eines Umzugs in die Schweiz aufgab. Auch diese Bestimmung setzt keine deutsche Staatsbürgerschaft voraus. Da sie aber – mindestens nach schweizerischem Verständnis – steuerlich motivierte Wegzüge aus Deutschland sanktionieren soll, wird ihr "pönaler" Charakter gemildert, sofern der Wegzug auf nachvollziehbaren Gründen wie
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der Aufnahme einer unselbstständigen Tätigkeit in der Schweiz oder |
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auf Heirat mit einem Schweizer/einer Schweizerin |
beruht (Art. 4 Abs. 4 lit. a DBA-E). Dabei ist von einer "echten" unselbstständigen Tätigkeit nur auszugehen, wenn keine Beteiligung des Arbeitnehmers am Arbeitgeber gegeben ist. Die Bestimmung greift ebenfalls nicht, wenn der Erblasser in dem Zeitpunkt, wo er eine ständige Wohnstätte in Deutschland hatte, schweizerischer Staatsangehöriger war.
Es stellt sich die Frage nach der praktischen Relevanz dieser Bestimmungen: Sie treffen allenfalls den wirklich vermögenden deutschen Wegzügler oder könnten dies tun, da Deutschland aufgrund der hohen Freibeträge ohnehin nur größere Vermögen besteuert. Ferner mag man sich die Frage stellen, wie der deutsche Fiskus solche Sachverhalte überhaupt erkennt und sein Besteuerungsrecht gegebenenfalls durchsetzen kann. In der einschlägigen Rechtsliteratur fehlt dann auch jeder Hinweis auf derartige Fälle. Eine konkurrierende deutsche Besteuerung dürfte am ehesten greifen, wenn Erben in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind, sodass der Fiskus vom Erbfall überhaupt Kenntnis erlangt. Eine Anzeigepflicht der Erben gegenüber dem deutschen Fiskus besteht nämlich nicht.