Prof. Dr. Dr. Thomas Gergen
Einführung
Der Gedanke an das Fortleben eines Urhebers nach seinem Tod führt in die Schnittmenge von Erb- und Urheberrecht: des Näheren zum fünften Buch des BGB (§§ 1922 ff BGB) sowie zum Abschnitt 5 des Deutschen Urheberrechtsgesetzes von 1965, in Kraft seit 1.1.1966. In diesem Abschnitt geht es speziell um den Rechtsverkehr im Urheberrecht (§§ 28, 29 und 30 UrhG). Unsere Betrachtung der Nachfolge in die Rechte eines verstorbenen Urhebers beginnt vorab mit dem eigentlichen Gegenstand der Nachfolge (I) sowie der Vererblichkeit des Urheberrechts nach § 28 Abs. 1 UrhG und dem Zusammenhang mit dem Persönlichkeitsrecht (II). Sodann widmen wir uns der Testamentsvollstreckung, die § 28 Abs. 2 UrhG besonders hervorhebt (III). Einzelne Konstellationen in der Nachfolge, darunter auch Erbrecht des Fiskus (IV), sowie die Rechtsnachfolge des Urhebers nach § 30 UrhG und das komplexe Spannungsfeld zwischen Erblasser, Erben und Testamentsvollstrecker (V) schließen sich – vor dem Fazit (VI) – an.
I. Der Gegenstand der Nachfolge
Wegen der in Deutschland herrschenden monistischen Auffassung des Urheberrechts bilden die vermögens- und die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse des Urheberrechts eine untrennbare Einheit; daher können sie auch nur als Ganzes vererbt werden. Dagegen gibt es in manchen ausländischen Rechtsordnungen, die die dualistische Betrachtungsweise vorziehen, die getrennte Übertragung bzw. Vererbung von vermögensrechtlichen und persönlichkeitsrechtlichen Befugnissen.
Da das deutsche Urheberrecht durch eine untrennbare Einheit vermögensrechtlicher und persönlichkeitsrechtlicher Bestandteile gekennzeichnet ist, enthält es nicht bloß in seiner Gesamtheit, sondern ferner in seinen einzelnen Befugnissen und Verwertungsrechten einen urheberpersönlichkeitsrechtlichen Kern. Deshalb ist es, ähnlich wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, grundsätzlich nicht vollständig übertragbar (§ 29 Abs. 1 UrhG). Vererblich iSv § 28 Abs. 1 UrhG ist dabei lediglich das Urheberrecht, nicht hingegen die Urheberschaft iSv § 7 UrhG, weil der Urheber stets der Schöpfer des Werks bleibt. Auch wenn einem Interessenten einzelne Nutzungsrechte eingeräumt werden (§§ 29 Abs. 2, 31 ff UrhG), verbleibt das Urheberrecht als Ganzes und auch der Kern des einzelnen Verwertungsrechtes beim Urheber. Hat der Urheber anderen Personen Nutzungsrechte an seinem Werk eingeräumt, so gelten diese auch gegenüber dem Erben. Erbe kann eine natürliche, aber auch eine juristische Person sein (§§ 1922 ff BGB).
Der Urheber kann über das Urheberrecht, das den Tod des Urhebers nach § 64 UrhG um 70 Jahre überdauert, testamentarisch verfügen (§ 29 Abs. 1 HS 2 UrhG). Das Urheberrecht ist damit im gesamten Umfang testamentarisch verfügbar, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (§ 30 UrhG). Der Erwerber ist dann stets der Rechtsnachfolger des Urhebers und kann das Urheberrecht seinerseits wiederum weitervererben, d. h. an seine eigenen Erben.
Zur Bestimmung des Umfangs des Rechtsübergangs urheberrechtlicher Nutzungsrechte durch Erbfolge dient der Orientierungssatz des Landgerichts Mannheim. Dieses Gericht bekräftigte, dass durch die testamentarische Formulierung des Autors "... den ganzen schriftlichen Nachlass inklusive der Briefe ... vermache ich also zur freien Verfügung ..." der Übergang der Nutzungsrechte an allen Werken des Autors bewirkt werden soll. Dazu sollten Buchveröffentlichungen, aber auch andere Texte wie Artikel in Zeitschriften und Jahrbüchern zählen. Dies ergab sich aus dem Gesamtzusammenhang, denn der Vermächtnisnehmer (§ 1939 BGB) sollte Rechtsinhaber sämtlicher ausschließlicher Nutzungsrechte an den Werken des Verstorbenen werden. Durch die Veröffentlichung gewisser Werke griff die Beklagte grob fahrlässig in die ausschließlichen Nutzungsrechte des Vermächtnisnehmers (Klägers) ein. Als Inhaberin eines Verlags hätte es ihr obgelegen, sich über die Rechte an den Werken vorab zumindest zu informieren. Dem Kläger stand schließlich noch gemäß § 98 Abs. 1 UrhG ein Vernichtungsanspruch hinsichtlich sämtlicher noch im Besitz der Beklagten befindlicher streitgegenständlicher Bücher zu.
Die Regeln über die Vererbung des Urheberrechts gelten nicht nur für alle Werkarten gemäß § 2 UrhG, sondern darüber hinaus für Computerprogramme, denn nach § 69 b Abs. 1 UrhG können auch im Arbeitsverhältnis lediglich die vermögensrechtlichen Befugnisse zur Ausübung auf den Arbeitgeber übergehen; dagegen sind Persönlichkeitsrechte hiervon nicht erfasst. Überdies finden die §§ 28 ff UrhG bei wissenschaftlichen Ausgaben (§ 70 Abs. 1 UrhG) und Lichtbildern (§ 72 Abs. 1 UrhG) Anwendung. Sind die hieran bestehenden Rechte zwar vererblich, können sie gleichwohl nicht vollständig übertragen werden. Die Rechte des ausübenden Künstlers sind grundsätzlich in vollem Umfang abtretbar (§ 79 UrhG) und deshalb ohnehin uneingeschränkt vererblich. Beim Recht auf Anerkennung (§ 74 UrhG) und beim Schutz gegen Beeinträchtigungen (§ 75 UrhG) wird zugunsten des Angehörigen des ausübenden Künstlers eine Ausnahme gemacht. Bei den anderen...