Laut des seit 30. November 1978 in seiner aktuellen Fassung existierenden und ratifizierten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftsteuern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (folgend: DBA-Schweiz (E)) wird zwischen dem sog. Erblasser-Wohnsitzstaat und dem Belegenheitsstaat unterschieden.
Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz (E) regelt, welcher Staat als Erblasser-Wohnsitzstaat zu qualifizieren ist. Im Ergebnis greift die Vorschrift auf das innerstaatliche Recht zurück. Gilt der Erblasser aufgrund seines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt seines Todes in Deutschland als Inländer und somit als unbeschränkt steuerpflichtig, so ist Deutschland Wohnsitzstaat des Erblassers (Art. 4 Abs. 1 lit. a DBA-Schweiz (E) iVm § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 lit. a ErbStG).
Die Schweiz ist Erblasser-Wohnsitzstaat, wenn der Erblasser im Sinne des kantonalen Erbschaftsteuerrechts in dem jeweiligen Kanton seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hatte oder dort der Erbgang zu eröffnen ist (Art. 4 Abs. 1 lit. b DBA- Schweiz (E)). Die Eröffnung des Erbgangs erfolgt grundsätzlich am letzten Wohnsitz des Erblassers für die Gesamtheit des Vermögens (Art. 538 ZGB). In der Schweiz wird jedoch auf Bundesebene keine Erbschaftsteuer erhoben; vielmehr haben die Kantone und ihre Gebietskörperschaften die ausschließliche Erhebungskompetenz. Bis auf den Kanton Schwyz und Obwalden erheben sämtliche Kantone Erbschaftsteuern entweder direkt auf den Nachlass (z. B. Solothurn und Graubünden) oder wie in Deutschland in Form einer Erbanfallsteuer.
Bei Wegzug eines deutschen Erblassers in die Schweiz, könnte man aufgrund Art. 4 Abs. 1 lit. b DBA-Schweiz argumentieren, dass eine Anzeigepflicht gem. § 30 Abs. 1 ErbStG in Deutschland entfallen muss, da in diesem Fall vorrangig der Schweiz als Erblasser-Wohnsitzstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht zugewiesen ist. Den Fall eines Erblassers mit Doppelwohnsitz in der Schweiz und in Deutschland ausgeklammert (Art. 4 Abs. 3 DBA-Schweiz (E)), hat sich Deutschland das Besteuerungsrecht in zwei Fallkonstellationen vorbehalten, die wiederum für die Anzeige des Erbfalls in Deutschland sprechen könnten:
Fall 1:
Hatte ein Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz in der Schweiz und hatte er vorher über eine ständige Wohnstätte in der Bundesrepublik Deutschland verfügt, so kann das Nachlassvermögen ungeachtet der Artikel 5 bis 8 Absatz 1 nach deutschem Recht besteuert werden, wenn der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor der Aufgabe seiner letzten Wohnstätte in der Bundesrepublik Deutschland mindestens fünf Jahre über eine solche Wohnstätte verfügt hatte und sein Tod in dem Jahr, in dem er zuletzt über eine solche Wohnstätte verfügt hatte, oder in den folgenden fünf Jahren eingetreten ist (sog. überdachende Besteuerung, Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz (E)). Dieser Vorbehalt des deutschen (unbeschränkten) Besteuerungsrechts soll einer Umgehung des deutschen Erbschaftsteueranspruchs durch Abwanderung kurz vor dem Tode vorbeugen. Beispiel: Erblasser E verstirbt am 1.1.2019 in der Schweiz. Am 31.12.2014 verzog E in die Schweiz. Bis dato hatte er bis auf eine zweijährige Unterbrechung (2011–2013) ausschließlich in Deutschland gelebt. Ergebnis: Die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz (E) liegen vor. E verstarb zu Beginn des fünften Jahres nach Wegzug aus Deutschland. Bevor er in die Schweiz zog, hatte er über mindestens fünf Jahre während der letzten zehn Jahre vor Aufgabe seiner Wohnung einen Wohnsitz in Deutschland gehabt. Trotz Wegzugs ist E mit seinem Weltvermögen in Deutschland unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig.
Fall 2:
Das Nachlassvermögen in Form von unbeweglichem Vermögen (Art. 5 DBA-Schweiz (E)), Betriebsstätten, feste Einrichtungen selbständiger Tätigkeit sowie Personengesellschaftsbeteiligungen (Art. 6 DBA-Schweiz (E)) und Schiffe sowie Luftfahrtzeuge (Art. 7 DBA-Schweiz (E)) unterliegt aufgrund seiner Belegenheit dem primären Besteuerungsrecht der Schweiz, in Deutschland lebt der Erwerber, d. h. er verfügt dort über eine ständige Wohnstätte oder seinen ständigen Aufenthalt (sog. Vorbehalt deutscher "überdachender Besteuerung" bei inländischen Erwerbern, Art. 8 Abs. 2 S. 1 DBA-Schweiz (E)). Voraussetzung für das nachgelagerte Besteuerungsrecht Deutschlands ist, dass der Schweiz aufgrund der Art. 5–7 DBA-Schweiz (E) als Belegenheitsstaat primär das Besteuerungsrecht hinsichtlich dieser Nachlassgegenstände zugewiesen ist. Beispiel: Der in Deutschland wohnhafte Bruder B erbt von seiner Schwester S 1/10 u. a. zwei zu privaten Zwecken genutzte und in der Schweiz belegene Grundstücke. S selbst war Schweizer Staatsbür-gerin und lebte bis zu ihrem Tod in der Schweiz. Ergebnis: Die Schweiz hat hinsichtlich der auf die Grundstücke entfallenden schweizerischen Erbschaftsteuer das primäre Besteuerungsrecht (Art. 5 Abs. 1 DBA-Schweiz (E)...