In einer Reihe von Fallkonstellationen können sich rechtstechnisch daraus Probleme ergeben, dass im Erbfall zunächst ein dinglicher Von-selbst-Erwerb der Erben stattfindet, erst später ggf. ein schuldrechtlicher Übergang von Vermögen auf einen Vermächtnisnehmer (vgl. § 2174 BGB). In der Zwischenphase, häufig gedanklich nur einer logischen Sekunde, kann es zu einer ungewollten ertragsteuerlichen Entnahme (s.o.) oder umgekehrt (jetzt hier) einer ungewollten ertragsteuerlichen Verstrickung dadurch kommen, dass kurzfristig ein Durchgangserwerb der Erben vor Weiterleitung des Vermögensgegenstandes an den Vermächtnisnehmer stattfindet.
Der BFH hat in zwei Urteilen zu § 17 EStG entschieden, dass in solchen Fällen nicht zwingend der Durchgangserwerb – hier des Käufers – Steuerfolgen hat, sondern es im Einzelfall auf das endgültig gewollte Endergebnis ankommt, und damit eine Ertragsteuerverstrickung nach § 17 EStG allein aufgrund der quotal ausreichenden Beteiligung des Durchgangserwerbers bis zur Weitergabe konkret an den Unterbeteiligten verneint. Die Urteile allein des IX. Senats könnten eine sehr weitreichende Bedeutung auch für andere Konstellationen, z.B. den Durchgangserwerb immer noch künftig des Erben vor Vermächtniserfüllung oder die ungewollte Entnahme von Sonderbetriebsvermögen bei qualifizierter Nachfolgeklausel haben:
Wenn die BFH-Rechtsprechung irgendwann einmal endgültig zu dem Ergebnis gelangt, den Durchgangserwerb ggf. nur für die Dauer der berühmten "logischen Sekunde" als ertragsteuerlich irrelevant anzusehen, würde eine ganze Reihe von Hilfskonstruktionen überflüssig werden, wie wirtschaftliches Eigentum, wie Zulassung von Personen zur qualifizierten Nachfolge, deren Nachfolge an sich nicht gewünscht ist, mit Befristung und auflösender Bedingung etc. Denn für § 17 EStG kann auch nach unentgeltlicher Übertragung an den jetzigen Veräußerer die Beteiligung seines Rechtsvorgängers relevant sein, von dem er unentgeltlich erworben hat (§ 17 Abs. 1 S. 4 EStG).
Beispiel:
Ein Gesellschafter ist zu 0,8 v.H. an einer inländischen GmbH beteiligt. In seinem Testament hat er seine Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt und sein einziges Kind zum Vermächtnisnehmer für eben die Gesellschaftsbeteiligung. Die Ehefrau hält selbst eine Gesellschaftsbeteiligung von 0,4 v.H. an dieser Gesellschaft. Wenn das Kind ein Jahr später die vom Vater erhaltene Gesellschaftsbeteiligung von 0,8 v.H. veräußert, ist es hinsichtlich des Veräußerungsgewinns steuerpflichtig. Zwar hat es selbst keine wesentliche Beteiligung von mindestens 1 v.H. am Nennkapital gehalten, aber die Mutter als unmittelbare Rechtsvorgängerin, indem sie nach dem Erbfall und vor Ausführung des bloß schuldrechtlich wirkenden Vermächtnisses kurzzeitig eine Beteiligungsquote von 0,4 + 0,8 = 1,2 v.H. hielt.
Wollte man den Durchgangserwerb der Erbengemeinschaft vermeiden, ließe sich das bislang nur durch solche testamentarischen Regelungen seitens des Erblassers bereits erreichen, die ein wirtschaftliches Eigentum z.B. eines Vermächtnisnehmers sofort beim Erbfall begründen.
Würden sich bei § 17 EStG die zur fehlenden Relevanz des Durchgangserwerbs ergangenen Urteile durchsetzen, bliebe es zwar bei einem unentgeltlichen Erwerb ggf. des letztendlich vom Erblasser erwerbenden schuldrechtlichen Vermächtnisnehmers, so dass auch die vormalige Beteiligung des Erblassers als die eines unentgeltlichen Rechtsvorgängers i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 4 EStG im Fünf-Jahres-Zeitraum vor der Veräußerung relevant bliebe. Dagegen würde die Beteiligung des Erben als reiner Durchgangserwerber bedeutungslos, weil sich ggf. die 1 %-Grenze nur durch Zusammenrechnung seiner eigenen, vor dem Erbfall gehaltenen Anteile mit den lediglich "durchgeleiteten" Anteilen des Erblassers ergibt.