Im nächsten Abschnitt wird der Frage nachgegangen, ob und wann die Ausschlagung die beste Lösung sein kann, und wann man besser davon Abstand nimmt. Dabei kann das Thema nicht erschöpfend behandelt, sondern nur in Teilaspekten vertieft werden.
Die Ausschlagung ist immer dann geboten, wenn der Erblasser mehr Passiva hinterlässt als Aktiva. Mit der Ausschlagung verhindert der Erbe eine persönliche Belastung. Auch wenn es möglich ist, die Schulden auf den vorhandenen Nachlass zu beschränken, ist dies immer doch mit erheblichem Aufwand und häufig mit eigenem Kostenaufwand für anwaltliche Berater verbunden. Insoweit ist in Fällen, in denen offensichtlich Schulden im Nachlass überwiegen und keine eigene Verstrickung in das Nachlassvermögen gegeben ist (z.B. Miteigentümergemeinschaft bei einer Immobilie oder Mithaft hinsichtlich eines Darlehens), eine Ausschlagung die beste Lösung.
Als weiterer Punkt ist die Ausschlagung dann die beste Lösung, wenn ein sog. "Springteufel"-Testament des Erblassers vorliegt. Als Springteufel-Testament kann man eine letztwillige Verfügung bezeichnen, in denen der Erblasser seine beiden Kinder gleichmäßig als Erben einsetzt. Auch das ihm missliebige Kind wird als Erbe mit voller gleichberechtigter Quote neben den geliebten Geschwisterkindern eingesetzt. Dann jedoch werden im Wege von Vorausvermächtnissen die Assets aus dem Nachlass auf das geliebte Kind oder die geliebten Kinder übertragen.
Beispiel 2:
Die verwitwete Erblasserin E hinterlässt ihren beiden Kindern folgendes Testament:
Zitat
Ich setze meine Kinder Arne und Bärbel zu Erben zu je ½ ein.
Bärbel bekommt als Vorausvermächtnis ohne Anrechnung auf ihren Erbteil mein Wohnhaus in Gundersweiler, mein Ferienhaus im Elsass und mein Wertpapierdepot bei der Sparkasse Donnersberg.
Liebe Kinder, ich hab Euch beide lieb. Streitet Euch nicht.
Gundersweiler, 10.7.2015 Unterschrift der Erblasserin E
Die verwitwete Erblasserin E verstirbt am 15.11.2021. Ihr Nachlass setzt sich wie folgt zusammen: Wohnhaus in Gundersweiler, Wert 170.000 EUR, Ferienhaus im Elsass, Wert 90.000 EUR, Wertpapierdepot 300.000 EUR, Girokonto Sparkasse 45.000 EUR und Beerdigungskosten 10.000 EUR.
Soweit der Sohn Arne nicht ausschlägt, sondern das Erbe annimmt in dem vermeintlichen Trugschluss, dass er immerhin Erbe zu ½ ist und ihm dann doch zumindest ein entsprechender Pflichtanteil zustehen müsste, verbleibt es bei der testamentarischen Regelung. Ein Anspruch auf einen Restpflichtteil, wie Arne laienhaft meint, gibt es bei der Belastung mit einem Vermächtnis nicht. Bärbel bekommt über die Vorausvermächtnisse vorab 560.000 EUR (Wohnhaus in Gundersweiler für 170.000 EUR, Ferienhaus im Elsass für 90.000 EUR und Wertpapierdepot von 300.000 EUR). Im Nachlass verbleiben 35.000 EUR (Girokonto Sparkasse 45.000 EUR abzüglich Beerdigungskosten 10.000 EUR). Der Nachlass wird zwischen Bärbel und Arne geteilt und Arne erhält 17.500 EUR. Nur wenn Arne innerhalb der sechs Wochenfrist ausschlägt, erhält er seinen Pflichtteil i.H.v. 148.750 EUR.
Grundsätzlich steht demjenigen, der ausschlägt, auch wenn er im Übrigen pflichtteilsberechtigt wäre, kein Pflichtteilsrecht mehr zu, da er nicht, wie es § 2303 Abs. 1 BGB fordert, durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen worden ist. Hiervon existieren zwei wichtige Ausnahmen:
Die erste Ausnahme gilt für Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand verheiratet waren nach §§ 2303 Abs. 2, 1371 Abs. 3 BGB. Auch für den Fall der Ausschlagung lebt das Pflichtteilsrecht des ausschlagenden Ehegatten in Zugewinngemeinschaft auf. Die zweite wichtige Ausnahme regelt § 2306 BGB. Danach gilt für jeden pflichtteilsberechtigten Erben, dessen Erbe in irgendeiner Weise vom Erblasser beschwert oder beschränkt worden ist, z.B. durch die Einsetzung eines Nacherben, eines Testamentsvollstreckers, durch eine Teilungsanordnung oder Auflage oder Vermächtnis, eine Wahlmöglichkeit zwischen
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Antritt des Erbes mit den Beschwerungen, ggf. mit dem Anspruch auf einen Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 BGB (Achtung: nicht bei Vermächtnis – früher galt das Vermächtnis als nicht angeordnet) oder |
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der Ausschlagung und der Möglichkeit, dann den Pflichtteil in Geld ohne Beschränkungen geltend zu machen. Die Frist zur Ausschlagung beginnt dann nach § 2306 Abs. 1 BGB nicht vor Kenntnis des Erbanfalls und dem Berufungsgrund und der Kenntnis von den Beschränkungen des Erbes. |
Der Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 BGB greift nicht, soweit der Erbe mit einem Vermächtnis belastet ist. § 2305 S. 2 BGB sieht vor, das Beschränkungen und Beschwerungen i.S.d. § 2306 BGB außer Betracht bleiben.
Diese sog. Springteufel-Testamente, in denen auch die missliebigen Kinder im gleichen Verhältnis wie die anderen Kinder zu Erben eingesetzt werden, der wirtschaftliche Wert ihres Erbteils aber durch die Vorausvermächtnisse an die übrigen Kinder bis auf Null reduziert werden kann, führt in der Folge häufig dazu, dass die so geprellten Kinder den Zeitpunkt für die Aussc...