Leitsatz
Die Frist des § 79 Abs. 2 GNotKG beginnt, wenn die Entscheidung über einen Erbscheinsantrag gemäß § 352e Abs. 1 S. 4 FamFG keiner Bekanntgabe bedarf, regelmäßig mit dem Erlass des beantragten Erbscheins. Bei einer eklatant fehlerhaften, aber rechtskräftigen Festsetzung des Geschäftswerts für das Erbscheinsverfahren ist eine anteilige Nichterhebung von Gerichtskosten nach § 21 GNotKG zu prüfen.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.10.2019 – 21 W 82/19
1 Gründe
I. Die Erblasserin war verheiratet, hinterließ aber keine Kinder. Nach dem Tod des Erblassers schlugen zahlreiche Verwandte der Erblasserin die Erbschaft aus. Allein der Antragsteller beantragte am 12.5.2017 einen Alleinerbschein zu seinen Gunsten, den das Nachlassgericht, da niemand widersprach, am gleichen Tag auf der Grundlage eines entsprechenden Feststellungsbeschlusses antragsgemäß erließ. Eine Ausfertigung des Erbscheins wurde dem Antragsteller am 12.5.2017 ausgehändigt
Nach mehrfacher vergeblicher Anhörung des Beteiligten zu 1) zum Geschäftswert hat das Gericht mit dem angefochtenen Beschluss den Verfahrenswert auf 3.000.000 EUR festgesetzt und sich zur Begründung auf eine freie Schätzung berufen.
Gegen den ihm am 30.1.2018 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) mit am 25.7.2018 beim Nachlassgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Nachlass bestehe einzig aus einem Miteigentumsanteil an einem Grundstück, der ihm einen finanziellen Vorteil in Höhe von 1.694,02 EUR erbracht habe.
Nachdem weiterhin entgegen der Aufforderung der Rechtspflegerin kein ausgefüllter Wertermittlungsbogen zu den Akten gereicht worden ist, hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Senat hat den Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel verfristet sein könnte. Eine Stellungnahme ist hierzu nicht erfolgt.
II.1. Der Beschwerde, über die der Senat gemäß § 83 Abs. 1 S. 6 i.V.m. § 81 Abs. 6 GNotKG durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden hat, ist gemäß § 83 Abs. 1 GNotKG zwar statthaft. Ihr bleibt der Erfolg jedoch versagt, da sie bereits unzulässig ist. Denn die angefochtene Entscheidung ist dem Beschwerdeführer am 30.1.2018 zugestellt worden, die Beschwerdeschrift ist aber erst am 25.7.2018 beim Nachlassgericht eingegangen. Damit hat der Antragsteller die Rechtsmittelfrist des § 83 Abs. 1 S. 3 FamFG nicht gewahrt. Hiernach ist die Beschwerde nämlich nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 79 Abs. 2 S. 2 GNotKG bestimmten sechsmonatigen Frist eingelegt wird bzw. innerhalb eines Monats nach Erlass der Entscheidung über den Geschäftswert eingereicht wird, sofern die Geschäftswertfesthsetzung ihrerseits nach der in § 79 Abs. 2 S. 2 GNotKG bestimmten Frist ergangen ist.
Vorliegend ist die Entscheidung über die Geschäftswertfestsetzung mehr als ein halbes Jahr nach der Entscheidung über den Erlass des Erbscheins erfolgt, so dass dem Antragsteller nach dem Zugang der angefochtenen Entscheidung noch ein weiterer Monat verblieben wäre, um ein Rechtsmittel einzulegen. Die ihm verbleibende Frist hat er hingegen nicht genutzt, weswegen seine Beschwerde nunmehr als unzulässig zu verwerfen ist.
Dabei fing die sechsmonatige Frist des § 79 Abs. 2 S. 2 GNotKG unmittelbar mit dem Erlass des Erbscheins am 12.5.2017 zu laufen an und war entsprechend sechs Monate später am 13.11.2017 abgelaufen. Gemäß § 79 Abs. 2 S. 2 GNotKG beginnt die Frist nämlich mit der Erlangung der Rechtskraft der Entscheidung oder mit der anderweitigen Erledigung des Verfahrens.
Zwar ist der Beschluss, mit dem die für den Erlass des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet worden sind, nicht in Rechtskraft erwachsen. Denn zu dessen Rechtskraft bedarf es, wie sich aus § 45 FamFG i.V.m. § 16 FamFG ergibt, der ordnungsgemäßen Bekanntgabe der Entscheidung. Da vorliegend aber niemand dem Erlass des Erbscheins widersprochen hat, bedurfte es gemäß § 352e Abs. 1 S. 2 FamFG keiner Bekanntgabe des Beschlusses, weswegen der Beschluss auch nicht in Rechtskraft erwachsen konnte. Dabei kommt es für die formelle Rechtskraft nicht auf die Zulässigkeit eines denkbaren Rechtsmittels an, die hier mangels Beschwer des Beteiligten, dessen Antrag vollumfänglich entsprochen wurde, nicht gegeben wäre. Vielmehr ist allein entscheidend, ob überhaupt ein Rechtsmittel statthaft ist, woran wiederum aufgrund von § 58 FamFG kein Zweifel besteht (vgl. BGH NJW-RR 2008, 1673 zur Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde; Keidel/Sternal, FamFG, 2017, § 45 Rn 17).
Allerdings hat sich vorliegend das Erbscheinsverfahren mit Erlass des beantragten Erbscheins am 12.5.2017 anderweitig erledigt. Eine anderweitige Erledigung tritt ein, wenn das Gericht in der Sache seine Tätigkeit endgültig abgeschlossen hat (vgl. BayObLGZ 2003, 87, 88; Toussaint, in: Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 2019, § 79 GNotKG Rn 36). Dies war mit dem Erlass des beantragten Erbscheins der Fall. Der Umst...