Nicht überzeugend erscheint insbesondere der Hinweis Schmidls auf eine drohende Amtshaftung, wenn (anders als bisher) mit der Bekanntgabe nicht zugewartet werde, wobei sich Schmidl seiner Meinung ohnehin nicht ganz sicher zu sein scheint, wenn es in seinem Beitrag heißt, dass es vom Nachlassgericht "geradezu schuldhaft" wäre, würde es die Testamentsvollstreckung bei der Bekanntgabe der letztwilligen Verfügung ignorieren.
Dass es im Falle der angeordneten Testamentsvollstreckung Staatshaftungsansprüche auslösen könnte, den Testamentsvollstrecker nicht vorab zu informieren und damit spiegelbildlich den Erben den Inhalt der Verfügung von Todes wegen erst mit möglicherweise deutlicher zeitlicher Verzögerung bekanntzugeben, erscheint fernliegend. Nach der Rechtsprechung des BGH ist bei Entscheidungen des Rechtspflegers mit Rücksicht auf dessen sachliche Unabhängigkeit (§ 9 RPflG) ein Schuldvorwurf wegen einer der Amtsausübung zugrunde liegenden Rechtsanwendung und Gesetzesauslegung nur zu erheben, wenn die Rechtsauffassung unvertretbar erscheint.
Woraus aber soll sich diese Unvertretbarkeit ergeben, wenn nicht einmal der Wortlaut des § 348 FamFG, der ohne Differenzierung und Einschränkung die Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen an alle Beteiligten vorsieht, die Auffassung von Schmidl stützt? Zuzugeben ist nur, dass sich § 348 FamFG nicht ausdrücklich dazu verhält, wann nach Eröffnung die Bekanntgabe gegenüber den Beteiligten zu erfolgen hat. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass dies dem Gericht freistünde. Sieht man den Normzweck jedenfalls auch in einer zuverlässigen, raschen und umfassenden Information der Beteiligten, ist es nur konsequent anzunehmen, dass die Bekanntgabe unverzüglich erfolgen muss. Haftungsbegründend ist dann nicht die zu frühe, sondern die von Schmidl im einseitigen Interesse des Testamentsvollstreckers propagierte zu späte Bekanntgabe an die (übrigen) Beteiligten.
Auch § 2215 Abs. 3 BGB spricht gegen die These Schmidls, der Testamentsvollstrecker solle versuchen, das Nachlassgericht dazu zu bewegen, so lange mit der Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen zuzuwarten, bis er nach Amtsantritt den Nachlass dem Erben präsentieren könne. Nach dieser Vorschrift kann der Erbe nämlich verlangen, dass er bei der Aufnahme des Verzeichnisses zugezogen wird.
Aus § 2263 BGB, der bestimmt, dass eine Anordnung des Erblassers, durch die er verbietet, das Testament alsbald nach seinem Tod zu eröffnen, nichtig ist, wird man auch ableiten können, dass selbst der Erblasser nicht anordnen kann, die Bekanntgabe auch nur hinauszuschieben.
Auch die Gesetzesbegründung stützt die These Schmidls von der Pflicht, die Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen zum vermeintlichen Schutze des Testamentsvollstreckers und der Erben hinauszuzögern, nicht. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/6308, S. 280) heißt es, dass der Eröffnungstermin und die schriftliche Bekanntgabe "als gleichrangige Alternativen nebeneinander" stehen, dass die Art der Eröffnung im nach den Sätzen 2 und 3 eröffneten Ermessen des Gerichts steht, und auch, dass § 348 Abs. 1 S. 1 FamFG die Verpflichtung des Gerichts regelt, eine Verfügung von Todes wegen nach Kenntnis des Todes des Erblassers "zeitnah" zu eröffnen, eine Ansicht, die in dem Wortlaut der Vorschrift auch hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt ("sobald").
Schmidl begrenzt die Problematik zu sehr auf die kurze Frist für die Ausschlagung, für die in der Tat gemäß § 1944 Abs. 2 BGB die Bekanntgabe entscheidend ist, und vernachlässigt dabei, dass Erben von der – in vielen Fällen bedeutungslosen – Frage der Ausschlagung abgesehen ein Interesse daran haben, möglichst früh und umfassend informiert zu werden. Es kann nicht Sache des Nachlassgerichts sein zu prüfen, welches Interesse der Beteiligten, das häufig auch kein einheitliches sein wird, im konkreten Fall überwiegt.
Wenn es richtig wäre, dass das Nachlassgericht bei angeordneter Testamentsvollstreckung vorab den Testamentsvollstrecker zu informieren hat, wäre es bereits schuldhaft, zur Eröffnung der Verfügung von Todes wegen einen Termin zu bestimmen, zu dem die gesetzlichen Erben zwingend geladen werden müssen. Der von Schmidl geforderte Wissensvorsprung des Testamentsvollstreckers wäre nicht mehr zu realisieren. Das Unterlassen dieser Vorab-Information an den Testamentsvollstrecker sieht Schmidl aber bereits als schuldhaft an mit der Folge, dass das Gebrauchmachen von der Möglichkeit des § 348 Abs. 2 FamFG für sich genommen schuldhaft sein müsste.