Die besondere Bedeutung dieser für die amtliche Sammlung vorgesehenen Entscheidung verdeutlichen bereits die bemerkenswert zahlreichen – zumeist zustimmenden – Besprechungen. Dies mag auch daran liegen, dass die erfolgte Klarstellung nicht nur für die Fälle des Rücktritts vom beurkundungspflichtigen Erbvertrag, sondern, wie gesehen, über § 2271 Abs. 1 S. 1 BGB auch für den Widerruf beim gemeinschaftlichen Testament Wirkung entfaltet, also auch eine in Deutschland sehr verbreitete (notarielle wie eigenhändige) Testamentsform betrifft.
Tatsächlich bringt diese Entscheidung in einer für die Praxis elementaren Frage eine lange erhoffe Rechtssicherheit – schließlich hängt die Änderung der (neuen) Verfügung von Todes wegen des zurücktretenden/widerrufenden Ehegatten mit seinen materiell-rechtlichen wie wirtschaftlichen Folgen nicht selten am seidenen Faden der "verfahrensrechtlichen" Wirksamkeit des vorherigen Widerrufes/Rücktritts. Der Berater wird im Fall der Generalbevollmächtigung insb. eines Kindes nun also eine Zustellung an dieses vornehmen können.
Das "Hintertürchen", das sich der BGH durch das relativierende "grundsätzlich" gesichert hat, sollte den beratenden Anwalt/Notar vor allem dann zur Vorsicht rufen, wenn
der Zurücktretende/Widerrufende auch der Adressat der Erklärung als Vorsorgevollmachtsberechtigter sein soll (In-Sich-Geschäft; "Die Niederschrift braucht das Büro nicht zu verlassen") bzw. wenn der Bevollmächtigte ein eigenes Interesse an der Beseitigung der bindenden Verfügungen hat (Stichwort: Vollmachtsmissbrauch). Die Betreuung dürfte (nicht nur) hier den sichersten Weg darstellen; auch in sonstigen Fällen kann selbstredend auch weiterhin eine Betreuung angeregt werden. Im Rahmen einer solchen Betreuerbestellung sollte dann zum einen auf eine "zeitnahe" Bestellung gedrängt und zum anderen auf den zutreffenden Aufgabenkreis geachtet werden (etwa "Vermögensangelegenheiten/sorge", vgl. § 1626 Abs. 1 S. 2 BGB). Sofern der Betreuer explizit (nur) zum Zwecke der Entgegennahme des Widerrufs bestellt werden soll, ist (mindestens) der ausdrückliche Aufgabenkreis "Widerruf(entgegennahme)"/"Zugang des Widerrufs des Testaments" o. ä. festzulegen.
Eine letzte verfahrensrechtliche Besonderheit sei an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung gerufen: Nach ganz h.M. muss der Zugang der Rücktritts- und Widerrufserklärung beim anderen Ehegatten, dem Betreuer und/oder dem Vorsorgebevollmächtigten stets in Ausfertigung der notariellen Urkunde erfolgen. Eine Zustellung einer beglaubigten Abschrift genügt nicht. Dies ergibt sich daraus, dass nur die Ausfertigung die Urschrift im Rechtsverkehr ersetzt und daher auch nur diese den Zugang der formbedürftigen Erklärung entsprechend § 130 BGB vermittelt (§ 47 BeurkG). In der Praxis empfiehlt es sich, aus Beweisgründen (§§ 415, 418 ZPO) grundsätzlich auf die Zustellung der Ausfertigung durch den Gerichtsvollzieher gem. § 132 BGB, §§ 166 ff., 171 ZPO zurückzugreifen.