Einführung
Auch wenn es sich weder bei der Einziehung noch bei der zwangsweisen Abtretung von Anteilen an Kapitalgesellschaften um mit Erbfällen oder Schenkungen – zivilrechtlich und auch wirtschaftlich – vergleichbare Vorgänge handelt, definiert das Erbschaftsteuergesetz für beide Varianten steuerpflichtige Zuwendungen bzw. Erwerbe, wenn und soweit für den Verlust der Gesellschafterstellung nur ein hinter dem steuerlich maßgeblichen Wert des oder der Anteile zurückbleibendes Entgelt gewährt wird.
Die entsprechenden Regelungen sind prinzipiell nichts Neues. Allerdings spielten sie in der Besteuerungspraxis bislang nur eine untergeordnete Rolle, da bei der Ermittlung des steuerlich maßgeblichen Werts von Kapitalgesellschaftsanteilen zumeist das sogenannte Stuttgarter Verfahren zur Anwendung kam, demzufolge in der Regel ein deutlich unter dem Verkehrswert liegender Anteilssteuerwert der Betrachtung zugrunde gelegt wurde. Diese Ausgangssituation hat sich durch die Neuregelung des Erbschaftsteuerrechts ab dem 1.1.2009 grundlegend geändert. Denn nunmehr entspricht – gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts – der maßgebliche Steuerwert von Kapitalgesellschaftsanteilen grundsätzlich dem Verkehrswert. Es ist daher damit zu rechnen, dass hinkünftig die Erbschafts- bzw. Schenkungsbesteuerung von Anteilsübergängen aufgrund von Einziehungen und/oder Zwangsabtretungen einen deutlich steigenden Stellenwert einnehmen und die Zahl der unter diesem Gesichtspunkt steuerpflichtigen Anteilsbewegungen deutlich zunehmen wird.
1. Einleitung
Um es mit den Worten des Gesetzgebers zu sagen: In mittelständischen Familienunternehmen finden sich, um das Gesellschaftsvermögen in der Gesellschaft für Zwecke der Familie zu erhalten, gesellschaftsvertragliche Regelungen, die eine Übertragung von Mitgliedschaftsrechten bzw. Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach dem Erbfall mit einem der Höhe nach unter dem gemeinen Wert liegenden Abfindungsanspruch vorsehen sowie den Erwerberkreis auf bereits in der Familiengesellschaft befindliche Gesellschafter einschränken. Diese vor dem Erbfall getroffenen gesellschaftsvertraglichen Regelungen dienen auch dem Schutz vor dem Eindringen von Dritten in die Familiengesellschaft sowie zum Erhalt des Gesellschaftsvermögens. Teilweise ist auch die Einziehung vererbter Geschäftsanteile gegen eine unter dem gemeinen Wert liegende Abfindung vorgesehen. Daneben sind Regelungen denkbar, denen zufolge der Anteil an der Kapitalgesellschaft alternativ auf einen Dritten (Nichtgesellschafter) zu übertragen ist.
All diese Szenarien bergen nicht nur zivil- bzw. gesellschaftsrechtliche Problemstellungen, sie sind auch unter erbschaftsteuerrechtlichen Gesichtspunkten relevant und mit teilweise – insbesondere im Hinblick auf die Verschonungen für Produktivvermögen, §§ 13a, b, 19a ErbStG – sehr unterschiedlichen Konsequenzen verbunden.
2. Grundsätzliche Möglichkeiten gesellschaftsvertraglicher Nachfolgeregelungen bei Kapitalgesellschaften
a) Allgemeines
Bei Kapitalgesellschaften ist die in den Geschäftsanteilen (GmbH) bzw. den Aktien (AG) verbriefte Mitgliedschaft frei vererblich, § 15 GmbHG. Mit dem Erbfall fällt automatisch auch die Mitgliedschaft gemäß § 1922 Abs. 1 BGB dem Erben, gegebenenfalls der Erbengemeinschaft zur gesamten Hand (§§ 2032 ff BGB bzw. § 18 GmbHG, § 69 AktG), an.
Dieser freien Vererblichkeit steht es aber nicht entgegen, in der Satzung der Gesellschaft eine den individuellen Verhältnissen angepasste Regelung über die Nachfolge in Anteile eines versterbenden Gesellschafters zu treffen. Dabei sind die verschiedenartigsten Bestimmungen denkbar und zulässig. Gemeinsam ist ihnen, dass sie unmittelbar die gesellschaftsrechtliche Behandlung des vererbten Geschäftsanteils betreffen und daher auch nicht durch letztwillige Verfügung abgedungen werden können.
Bei der GmbH sind insbesondere die Einziehungsklausel und die Abtretungsklausel recht weit verbreitet. Auch die Kaduzierung von Anteilen oder andere Beschränkungen der Rechte der Erben kann die Satzung vorsehen, so z. B. die Vinkulierung der Geschäftsanteile. Denkbar und zulässig sind auch satzungsmäßige Regelungen, durch die die Mitgliedschaftsrechte des Erben inhaltlichen beschränkt werden. Solange durch diese Beschränkungen der Kernbereich des Mitgliedschaftsrechts nicht ausgehöhlt wird und sie sich sachlich rechtfertigen lassen, bestehen insoweit keine Bedenken. Bestimmungen, denen zufolge der Erbe beispielsweise sein Stimmrecht oder das Bucheinsichtsrecht nach § 51 a GmbHG nur durch einen Bevollmächtigten ausüben darf, wenn er Wettbewerber des Unternehmens der Gesellschaft ist, sind daher zulässig.