Leitsatz

Liegen die Voraussetzungen des § 1960 iVm § 1960 Abs. 1 BGB vor, muss dem Antrag des Gläubigers auf Bestellung eines Nachlasspflegers auch dann stattgegeben werden, wenn im Nachlass keine ausreichenden Mittel zur Bezahlung des Pflegers vorhanden sind und der Gläubiger eine Vorschussleistung ablehnt.

OLG Dresden, Beschluss vom 9. Dezember 2009 – 3 W 1133/09

Sachverhalt

Die Beteiligte war die Vermieterin der am 12.6.2009 alleinstehend verstorbenen Erblasserin, die offenbar kein Testament und allem Anschein nach auch kein nennenswertes Aktivvermögen hinterlassen hat. Das Nachlassgericht ist derzeit noch mit Nachforschungen nach den gesetzlichen Erben befasst. Es hat in diesem Zusammenhang zwei Kinder einer vorverstorbenen Tante der Erblasserin als mögliche Miterben ausfindig gemacht und unter dem 5.10.2009 angeschrieben. Zum Verbleib des Bruders der Erblasserin, der zu DDR-Zeiten in Thüringen wohnte, gibt es noch keine Erkenntnisse. Mit Schreiben vom 1.10. und 22.10.2009 hat die Beteiligte die Errichtung einer Nachlasspflegschaft beantragt, um die Wohnung räumen lassen, neu vermieten und rückständige Mietzinsansprüche geltend machen zu können. Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts hat den Antrag mit Beschluss vom 26.10.2009 zurückgewiesen, weil ein die Vergütung und Auslagen des Pflegers deckender Nachlass nicht erkennbar sei. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hat.

Aus den Gründen

Die Beschwerde hat Erfolg.

(...) Zu Recht hat das gemäß den §§ 1961, 1962 BGB zuständige Nachlassgericht durch die Rechtspflegerin entschieden. Auch nach den im Zuge der FGG-Reform vorgenommenen Änderungen des Rechtspflegergesetzes ist für die die §§ 1960, 1961 BGB betreffenden Verrichtungen der Rechtspfleger zuständig, § 3 Nr. 2 c RPflG. Der in dieser Vorschrift enthaltene Vorbehalt zugunsten ausnahmsweise vom Richter wahrzunehmender Geschäfte (§§ 14 bis 19 b RPflG) kommt nicht zum Tragen. Denn § 16 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 14 Abs. 1 Nr. 10 RPflG behält, soweit hier von Bedeutung, die Geschäfte bei einer Nachlasspflegschaft nur dann dem Richter vor, wenn der Erblasser Ausländer war. Das ist hier nicht der Fall.

In der Sache selbst kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben, sondern es ist unter ihrer Abänderung ein Nachlasspfleger zu bestellen. Der Antrag der Beteiligten ist gemäß § 1961 iVm § 1960 Abs. 1 BGB begründet.

1. Das Nachlassgericht hat nicht verkannt, dass alle in den §§ 1961, 1960 Abs. 1 BGB bezeichneten Bestellungsvoraussetzungen vorliegen.

Auf die entsprechenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse liegt nicht zuletzt auch deshalb auf der Hand, weil die Beteiligte aufgrund der noch ungeklärten Frage, wer gesetzlicher Erbe ist und die Erbschaft auch antritt, gegenwärtig außerstande ist, das nach wie vor bestehende Mietverhältnis gemäß § 564 S. 2 BGB zu kündigen und damit auch materiell-rechtlich überhaupt erst die Grundlage für eine notfalls beabsichtigte Räumungsklage zu schaffen.

2. Abgelehnt hat das Nachlassgericht die begehrte Anordnung vielmehr unter Berufung auf die ebenfalls einen Antrag des Vermieters des Erblassers betreffende Senatsentscheidung vom 24.5.2006 – 3 W 607/06, weil ein die Vergütung und Auslagen des Nachlasspflegers deckender Nachlass nicht erkennbar sei. Dem kann nicht gefolgt werden.

Gegen die erstinstanzliche Feststellung einer fehlenden Werthaltigkeit des Nachlasses bestehen allerdings im Ergebnis keine Bedenken. Die vom Ordnungsamt kurz nach dem Tod der Erblasserin in deren Wohnung gesichteten und sichergestellten Unterlagen (GA 15) sowie die gefertigten Fotos (GA 16) lassen nicht erwarten, dass der Nachlass ausreicht, einen Nachlasspfleger zu bezahlen. Dagegen spricht ferner, dass sich weitere Gläubiger zur Nachlassakte gemeldet haben, darunter die Sparkasse als Hausbank der Erblasserin. Das Fehlen ausreichender Nachlassaktiva genügt für sich betrachtet zwar keinesfalls, den Gläubigerantrag auf Bestellung eines Nachlasspflegers zurückzuweisen. In Betracht kommt dies auch nach der bisherigen Senatsrechtsprechung nur dann, wenn sich der Gläubiger weigert, einen Vorschuss für die Kosten des Nachlasspflegers zu zahlen. Letzteres ist hier aber nach den durchgängigen expliziten Erklärungen der Beteiligten der Fall.

Damit kommt es entscheidend darauf an, ob die Bestellung eines Nachlasspflegers bei dem dessen Kosten nicht deckendem Nachlass und fehlender Vorschussleistungsbereitschaft des Gläubigers abgelehnt werden kann. Dies hat der Senat im zitierten Beschluss vom 24.5.2006, wenngleich in dort nicht tragenden Erwägungen, bejaht. Hieran wird mit der im Ergebnis fast einhelligen Gegenansicht nicht festgehalten.

a) Was die nach § 1 Abs. 1 S. 1 KostO vorbehaltlich anderweitiger bundesrechtlicher Bestimmung "nur" zu erhebenden Kosten (Gebühren und Auslagen) in Gestalt der gemäß § 106 Abs. 1 KostO mit positiver Anordnung fällig werdenden vollen Gebühr aus dem W...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?