1. Das BMJ legte daraufhin zum 1.12.2009 einen ersten Gesetzentwurf vor, der zwischenzeitlich inhaltlich wieder überarbeitet und in entscheidenden Passagen zu Recht geändert wurde. Dessen Inhalt lässt sich zusammenfassend wie folgt darstellen, wobei die im Entwurf enthaltenen familienrechtlichen Änderungsvorschläge im Hinblick auf Art. 12 § 3 NEhelG; §§ 1600 a, 1600 d BGB außen vor bleiben sollen:
(1) Änderung der Rechtslage im Hinblick auf das Erbrecht
Vor dem 1.7.1949 geborene Kinder erhalten beim Erbfall ein Erbrecht nach allgemeinen Quoten neben Geschwistern. Wären aber noch Ehegatten (oder eingetragene Lebenspartner) des Vaters vorhanden, so wären sie "im Verhältnis zu diesen" lediglich Nacherben. Nacherbfall sollte der Tod des Vorerben sein. Durch die bisherige Rechtsprechung sei schließlich gewisses Vertrauen der Väter nichtehelicher Kinder und deren ehelicher Abkömmlinge und Ehegatten darauf vorhanden, dass nichteheliche Kinder nicht am Nachlass teilhaben sollten. Dies müsse sich in einer "abgeschwächten" Beteiligung am Nachlass wiederfinden. Hierzu blieb mangels anderer rechtlicher Alternativen nur die Vor/Nacherbschaft.
(2) Entschädigung der Betroffenen
Sollte der Bund oder ein Land nach § 1936 BGB für einen Erbfall (Tod des Vaters im Hinblick auf sein nichteheliches Kind) in der Vergangenheit Erbe geworden sein, so sollte das nichteheliche Kind einen Entschädigungsanspruch in Höhe der ihm entgangenen erbrechtlichen Position erhalten. Hierzu wurde ihm ein Auskunftsrecht gegenüber dem profitierenden Bund oder dem Land eingeräumt, um etwaige Positionen eruieren zu können.
(3) Zeitlich begrenzte Rückwirkung
Das neue Recht sollte Anwendung finden für Erbfälle, die sich ab dem 29.5.2009 ereignet hätten. Grund dessen war, dass die maßgebliche Entscheidung des EGMR zum 28.5.2009 ergangen war und das Bundesministerium der Justiz (folgend: BMJ) zur Auffassung gelangte, mit dem Erlass dieses Urteils wäre jeglicher Vertrauenstatbestand aufgrund unklarer "alter" Rechtslage ab diesem Tage beendet gewesen. Gleichwohl sei aber für Erbfälle vor diesem Stichtag nicht ein unklarer Rechtszustand vorhanden, der nach deutschen verfassungsrechtlichen Grundsätzen eine "echte" Rückwirkung rechtfertige.
(4) Kritik
Dieser erste Gesetzesentwurf sah sich – zu Recht – massiver Kritik zahlreicher Fachverbände ausgesetzt. Dabei war die Kritik maßgeblich begrenzt auf die geplante Regelung der Vor- und Nacherbschaft. Die übrigen Regelungen fanden im Grundsatz Zustimmung, wenn auch Nachbesserungen im Detail gefordert wurden.
(1‘) Vor- und Nacherbschaft "im Verhältnis zur Ehefrau/zum eingetragenen Lebenspartner" des Vaters
Hier wurde maßgeblich und zutreffend bemängelt, die Einrichtung einer gesetzlichen Vor-/Nacherbschafts-Situation begründe nicht eine völlige Gleichstellung mit ehelichen Kindern, der Auftrag des Art. 6 Abs. 5 GG sei verfehlt. Die ehelichen Kinder seien nicht von Gesetzes wegen in eine Position der Nacherbschaft verwiesen, wenn bei Tod des Vaters die Mutter noch lebte, sondern seien stattdessen Miterben, §§ 1924 Abs. 1, 1931 Abs. 1 S.1 BGB, und einen Sachgrund für eine andere Behandlung nichtehelicher Kinder gebe es nicht. Darüber hinaus sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum das nichteheliche Kind im Verhältnis zu seinen ehelichen Geschwistern eine schlechtere erbrechtliche Position im Falle haben sollte, wenn die Ehefrau/der eingetragene Lebenspartner des Vaters noch lebe. Dem ist zu folgen: Soweit mehrere Personen zu Erben berufen sind, sind sie ohne Unterschiede zu Miterben berufen. Darüber hinaus ist dem deutschen Recht eine gesetzliche Vor-/Nacherbenstellung fremd, sie ist als besonderes Instrument im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen erst zu etablieren.
Ein Vorschlag, die Ungleichbehandlung nicht über materielle erbrechtliche Beteiligung am Nachlass des Vaters zu lösen, sondern über einen schuldrechtlichen Anspruch des Kindes gegen die Erben des Vaters, musste abgelehnt werden.
Zu beachten war aber, dass – insoweit konsequent – mit der Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern in erbrechtlicher Hinsicht auch dem Vater eine Beteiligung am Nachlass des Kindes zugesprochen wurde, sollte das Kind vor diesem versterben. Vor diesem Hintergrund überzeugt die Vor-/Nacherben-Konstruktion aber noch weniger, da es nicht einzusehen ist, dass der ...