I.
Die Erblasserin und der Beschwerdeführer sind die Eltern des am … geborenen Kindes E., welches zusammen mit der Erblasserin am … im Rahmen eines erweiterten Suizids verstarb.
Die Erblasserin war ledig und hatte keine weiteren Kinder. In einem Testament setzte sie ihre Eltern als Erben ein. Die Eltern der Erblasserin schlugen die Erbschaft allerdings ebenso aus wie die einzige Schwester der Erblasserin, die gleichzeitig die Ausschlagung auch für ihr (damals noch ungeborenes) Kind erklärte.
Das Nachlassgericht stellte daraufhin mit Beschl. v. 13.10.2022 nach § 1964 BGB fest, dass ein anderer Erbe als der bayerische Fiskus nicht vorhanden ist.
Nachdem das Landesamt für Finanzen mit am 7.11.2022 beim Nachlassgericht eingegangenem Schreiben die Erteilung eines Erbscheins für den Freistaat Bayern beantragt hatte, stellte das Nachlassgericht mit Beschl. v. 8.11.2022 fest, dass die zur Begründung dieses Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet werden. Gleichzeitig wurde der beantragte Erbschein erteilt.
Mit Schriftsatz vom 11.11.2022, beim Nachlassgericht eingegangen am selben Tag, legte der Beteiligte Z. Beschwerde gegen die Entscheidung vom 13.10.2022 ein und führte zur Begründung aus, es hätte geklärt werden müssen, ob das Kind E. vor oder nach der Erblasserin gestorben ist. Unter Umständen komme nämlich er als Erbe in Betracht.
Mit Beschl. v. 24.11.2022 half das AG der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem OLG zur Entscheidung vor. Nach Auffassung des Nachlassgerichts müsse mangels entgegenstehender Angaben und den Umständen des Ablebens von einem gleichzeitigen Versterben gem. § 11 VerschG ausgegangen werden.
II.
Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere form- und mangels Zustellung fristgerecht eingelegte Beschwerde des Beteiligten Z. ist vorläufig begründet.
Der Senat gibt die Sache zur erneuten – ordnungsgemäßen – Durchführung des Verfahrens über die (Nicht-)Abhilfe an das Nachlassgericht zurück, da dessen Verfahrensweise nicht den an diesen Verfahrensabschnitt zu stellenden Anforderungen genügt (Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 68 Rn 34 mit weiteren Nachweisen).
1) Die Entscheidung über die Nichtabhilfe nach § 68 Abs. 1 S. 1 FamFG ist eine regelmäßig in Beschlussform zu treffende und den Beteiligten bekannt zu gebende Sachentscheidung (OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 653).
Die Anforderungen an den Umfang der Begründung hängt naturgemäß vom jeweiligen Einzelfall ab. Stets aber muss die Entscheidung zumindest erkennen lassen, dass das Ausgangsgericht das wesentliche Beschwerdevorbringen beachtet und seiner Pflicht zur Prüfung und Selbstkontrolle im Abhilfeverfahren nachgekommen ist (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
2) Diesen Anforderungen genügt die vom Nachlassgericht am 24.11.2022 getroffene Entscheidung erkennbar nicht:
Denn zur Feststellung der Erbfolge sind weitere Ermittlungen erforderlich, die vom AG bislang trotz der bestehenden Pflicht zur Amtsermittlung (§ 26 FamFG) nicht durchgeführt wurden. Der bloße Hinweis des Nachlassgerichts in der Entscheidung vom 24.11.2022 auf die gesetzliche Vermutung des § 11 VerschG ist nicht ausreichend.
Richtig ist zwar, dass die Erblasserin und das Kind E. durch das gleiche Ereignis ums Leben gekommen sind. Allerdings steht damit nicht automatisch fest, dass sie gleichzeitig verstorben sind. Nach § 1923 BGB ist die Erbfähigkeit aber allein davon abhängig, dass der Erbe den Erblasser – wenn auch nur um den Bruchteil einer Sekunde – überlebt.
Zutreffend weist die Beschwerde deswegen darauf hin, dass im vorliegenden Fall vom Nachlassgericht geklärt werden muss, in welcher Reihenfolge die Erblasserin und ihr Kind gestorben sind (OLG Hamm NJW-RR 1996,70; OLG Köln FamRZ 1992, 860; Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1923 Rn 5). Die Entscheidung vom 24.11.2022 geht auf dieses Vorbringen nicht ein. Vor der Klärung dieser Frage ist aber eine Entscheidung über die Nichtabhilfe nicht möglich.
3) Nicht verkannt wird vom Senat, dass der vom AG bereits erteilte Erbschein im Weg der Abhilfe nicht aufgehoben werden kann (Keidel/Sternal, a.a.O., § 68 Rn 26).
Allerdings wird das AG (dem Gedanken des § 352e Abs. 3 FamFG folgend) das Vorbringen des Vaters des Kindes E. als Anregung bzw. Antrag auf Einziehung des bereits erteilten Erbscheins auslegen müssen.
Denn sollten die durchzuführenden Ermittlungen ergeben, dass E. tatsächlich nach der Erblasserin gestorben ist, käme der Beschwerdeführer als (Erbes-)Erbe in Betracht. Damit dürfte dann auch feststehen, dass der bereits erteilte Erbschein unrichtig und deswegen vom Nachlassgericht einzuziehen ist (§ 2361 BGB).
Kann hingegen nicht mit der erforderlichen Sicherheit geklärt werden, dass E. Erbe nach seiner Mutter wurde, ist die Beschwerde tatsächlich unbegründet. In diesem Fall stehen dem Beschwerdeführer erkennbar keinerlei Rechte am Nachlass zu.
ZErb 4/2023, S. 144 - 145