Bedürftigentestamente zielen auf den Bezieher von Bürgergeld (SGB II) und Behindertentestamente auf die Bezieher von SGB XII- und SGB IX-Leistungen ab. Erbschaften sind dort jetzt einheitlich Vermögen und der Leistungsbezieher genießt die jeweiligen Vermögensschontatbestände und -beträge. Vermächtnisse genießen die einheitliche Rechtsqualität als Vermögen nicht und es ist fraglich, ob das für die Gestaltung von’Behinderten- und Bedürftigentestamente Konsequenzen hat. Ist die Vermächtnislösung damit tot, kaum, dass die Neuregelung der Eingliederungshilfe ihr neuen Atem eingehaucht hatte?
a. Erbschaftslösung
Die klassische Ausgestaltung des Behinderten-/Bedürftigentestaments erfolgt in der Form der Erbschaftslösung. Die klassische Gestaltungstrias eines solchen Testaments in der Form der Erbschaftslösung besteht aus
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der nicht befreiten Vor- und Nacherbschaft oberhalb des Pflichtteilsanspruchs, |
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der Dauertestamentsvollstreckung (§ 2209 BGB) und |
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den Verwaltungsanordnungen des Erblassers (§ 2216 Abs. 2 BGB). |
Bei der nicht befreiten Vorerbschaft stehen dem Vorerben die ordnungsgemäß gezogenen Nutzungen des Nachlasses zu (§§ 2111, 2133, 100 BGB). Mehr nicht. Die Substanz muss für den Nacherben erhalten bleiben.
Nutzungen sind Sach- oder Rechtsfrüchte (§§ 100, 99 BGB). Diese stellen aber nicht die "Erbschaft", sondern die daraus wiederkehrenden Einkünfte dar. Dazu hat die sozialgerichtliche Rechtsprechung entschieden, dass "Früchte" sozialhilferechtlich grundsätzlich Einkommen und nicht Vermögen sind, wenn sie erstmals nach Beantragung der Sozialleistung zu einem Wertzuwachs geführt haben, auch wenn es sich bei dem verzinsten Kapital um Schonvermögen handelt.
Die Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Bürgergeld (Bürgergeld-Verordnung – Bürgergeld-VO) sieht "Früchte", wie z.B. Einkünfte aus Kapitalvermögen, als Einnahmen i.S.d. Gesetzes an und nicht als Vermögen. So regelt das auch die Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII für die Sozialhilfe in den §§ 6 ff. SGB XII.
Ergebnis: Der Testamentsvollstrecker, der die Nutzungen einer Erbschaft herausgibt, muss weiterhin davon ausgehen, dass er Einkommen im Sinne des jeweiligen Gesetzes herausgibt, das nur dann nicht eingesetzt werden muss, wenn es nicht versilbert werden kann, also zur Bedarfsdeckung nicht zur Verfügung steht. Die Neuregelung im Bürgergeldgesetz verändert für den Begünstigten eines Bedürftigen- oder Behindertentestaments in der Form der Erbschaftslösung insofern nichts. Regelhafte Zuflüsse, die mehr als den monatlichen Bedarf abdecken, werden allerdings mit ihrem unverbrauchten Teil im SGB II und XII Vermögen und können dort geschützt sein. In der Eingliederungshilfe dürfte der Betrag für eine Kostenbeteiligung durch Früchte des Nachlasses aber ohnehin nie erreicht werden.
b. Vermächtnislösung
Auch wenn das Bürgergeldgesetz zwischen Erbschaften und Vermächtnissen differenziert und Vermächtnissen nicht automatisch die Rechtsqualität von Vermögen zuerkennt, ergibt sich für die gestalterische Bewertung der Lösungen kein Unterschied. Die klassische Trias von Vorvermächtnis und Nachvermächtnis führt auch bei dieser Lösung dazu, dass der Vorvermächtnisnehmer auf die Nutzungen des Nachlasses reduziert ist. Und die sind eindeutig Einkommen.
c. Testamentsvollstreckungslösung
Ein anderes Ergebnis ergibt sich, wenn der Erblasser darauf verzichtet, den Begünstigten Beschränkungen zu unterwerfen und den Nachlass an einen Dritten weiterleiten zu wollen. Setzt der Erblasser den Bedürftigen zum Erben ein und unterwirft den Nachlass der dauerhaften Verwaltungstestamentsvollstreckung, so ist das etwas anderes, als wenn er den Bedürftigen zum Vermächtnisnehmer macht. Jede Herausgabe an den Erben ist die Herausgabe einer Erbschaft/eines Teils einer Erbschaft und damit Vermögen des Begünstigten. Jede Herausgabe an den Vermächtnisnehmer ist die Herausgabe eines Vermächtnisses mit der Konsequenz, dass die Rechtsqualität in jedem Einzelfall geprüft werden muss. Die Erbeinsetzung ist in einem solchen Fall für das, was letztlich beim Erben ankommt und verbleibt, wohl die bessere Lösung.
Aber was ist, wenn die Erbschaft viel größer ist als der Vermögensschonbetrag oder die Werte der sonstigen Vermögensschontatbestände in den einzelnen Gesetzen? Kann der Testamentsvollstrecker dann nach Verbrauch des ersten Betrags weitere Beträge im Umfang des jeweils geschonten Vermögenswerts herausgeben? Nach Sinn und Zweck des Vermögensschontatbestands dürfte das nicht der Fall sein, auch wenn die weiteren Herausgaben "aus der Erbschaft" stammen. Hier wird der Testamentsvollstrecker findig sein müssen, wie er mit dem Restbetrag im Rahmen der Verwaltungsanordnungen des Erblassers umgeht.
Alles in allem würde man daher grundsätzlich wohl am ehesten nach der Regelung des Bürgergeldgesetzes zur Testamentsvollstreckerlösung tendieren. Aber damit muss man wesentliche andere Ziele der typischen Bedürftigen- bzw. Behindertentestamente, ...