Leitsatz
Der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft führt nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks (Änderung der Rechtsprechung sowie entgegen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen v. 14.3.2006, BStBl I 2006, 253, Rn 43).
BFH, Urt. v. 26.9.2023 – IX R 13/22
1 Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen von Einkünften nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG in der im Streitjahr 2018 gültigen Fassung wegen der Veräußerung von zur Erbmasse gehörendem Grundbesitz nach dem Erwerb aller übrigen Miterbenanteile durch einen Erben.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Erbe mit einem Erbanteil von 52 % nach der am xx.xx.2015 verstorbenen Frau … (Erblasserin). Zu seinen Lasten wurde Nacherbfolge angeordnet. Weitere Erben zu jeweils 24 % und zugleich Nacherben nach dem Kläger wurden die Kinder der Erblasserin. Aufgrund eines Vorausvermächtnisses erhielt der Kläger den gesamten Hausrat, das Mobiliar und den Personenkraftwagen der Erblasserin. Im Übrigen bestand der Nachlass aus dem Grundbesitz mit der Gemarkung … unter der Anschrift … sowie … (Grundstück) sowie einem Geschäftsanteil an der … GmbH (GmbH) in Höhe von … DM. Das Stammkapital der GmbH betrug … DM.
Der Kläger und die Kinder der Erblasserin wurden am 27.8.2015 im Grundbuch des Grundstücks als Eigentümer in Erbengemeinschaft eingetragen.
Mit notarieller Urkunde vom 18.4.2017 übertrugen die Kinder der Erblasserin als Nacherben das Nacherbenanwartschaftsrecht an dem Erbteil des Klägers mit allen Rechten und Pflichten an diesen zur Alleinberechtigung und traten dieses Recht mit sofortiger dinglicher Wirkung ab.
In der Folge übertrugen die Kinder der Erblasserin mit notarieller Urkunde vom 27.4.2017 ihren Erbanteil an einen Dritten. Nach der Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts übertrug dieser die von den beiden Kindern der Erblasserin erworbenen Erbanteile mit notarieller Urkunde vom 20.10.2017 auf den Kläger. Zugleich wurde die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt. Nach Abzug der anteiligen auf die Erbanteile der Kinder der Erblasserin entfallenden Nachlassverbindlichkeiten vom Kaufpreis von … EUR verblieb ein als Restkaufpreis bezeichneter Betrag von … EUR. Unter Berücksichtigung weiterer Kosten und Gebühren wendete der Kläger insgesamt … EUR laut notarieller Urkunde vom 20.10.2017 für die Erbanteile der Kinder der Erblasserin auf.
Der Kläger veräußerte mit notarieller Urkunde vom 9.2.2018 den aus dem Nachlass stammenden Grundbesitz für … EUR.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) kam zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich des Erwerbs der Erbanteile vom Dritten eine anteilige entgeltliche Anschaffung des Grundbesitzes in Höhe von 48 % durch den Kläger vorliege. Da zwischen dem Erwerb der Erbanteile und dem Verkauf des Grundbesitzes nicht mehr als zehn Jahre gelegen hätten, lägen sonstige Einkünfte aufgrund eines privaten Veräußerungsgeschäfts vor.
Mit geändertem Einkommensteuerbescheid für 2018 vom 25.8.2020 berücksichtigte das FA daher zusätzlich Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft in Höhe von … EUR.
Die hiergegen erhobene Sprungklage zum FG blieb aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 1907 genannten Gründen ohne Erfolg (Urt. v. 21.7.2021 – 1 K 2127/20).
Hiergegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger im Wesentlichen die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG München vom 21.7.2021 – 1 K 2127/20 aufzuheben und die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung von Einkünften nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die veräußerten Objekte seien erst durch den Erwerb der Erbanteile in das Eigentum des Klägers übergegangen. Die Entscheidungen des X. Senats des BFH v. 4.10.1990 – X R 148/88 (BFHE 162, 304, BStBl II 1992, 211) sowie v. 10.7.1996 – X R 103/95 (BFHE 183, 1, BStBl II 1997, 678) seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Während es in den dortigen Verfahren um die Frage der Weiterveräußerung eines KG-/GbR-Anteils gegangen sei, werde vorliegend kein Anteil an der Erbengemeinschaft, sondern ein zur Erbmasse gehörendes Grundstück veräußert.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung (§ 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FGO) und – da der Senat in der Sache selbst entscheiden kann – zur Stattgabe der Klage. Das FG hat zu Unrecht einen vom Kläger zu versteuernden Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG in Höhe von … EUR wegen der Veräußerung des Grundstücks angenommen.
1. Sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften sind nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
a) Die in § 23 EStG verwendeten Begriffe "An...