Leitsatz
1. Wird der einem Vermächtnisnehmer durch testamentarisches Vermächtnis zugewandte Gegenstand, hier ein Pkw VW Polo, etwa vier Monate vor Eintritt des Erbfalles von der Erblasserin an einen Dritten veräußert, weil der Gesundheitszustand des vorgesehenen Vermächtnisnehmers, der das Fahrzeug überwiegend gefahren hat, das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht mehr gefahrlos zulässt, hat dies grundsätzlich gemäß § 2169 Abs. 1 BGB die Unwirksamkeit des Vermächtnisses zur Folge; § 2169 Abs. 3 BGB ist nicht anwendbar.
2. Die Erwähnung eines "Surrogats" – in Form eines Ersatzfahrzeugs – im Vermächtnis, kann darauf hindeuten, dass die Erblasserin dem Vermächtnisnehmer nicht lediglich das spezielle Fahrzeug als solches überlassen wollte.
3. Eine einheitliche Behandlung von Hausrat und Pkw im Testament und die Einsetzung des Vermächtnisnehmers als Vorvermächtnisnehmer sprechen eher gegen die Annahme, dass auch ein aus dem Erlös des Pkw stammender Geldbetrag dem Vermächtnisnehmer in jedem Fall zur Absicherung seines Lebensunterhalts zugewandt werden soll.
OLG Koblenz, Hinweisbeschl. gem. § 522 Abs. 2 ZPO v. 26.11.2020 – 12 U 140/20
1 Tatbestand
I.
Die Klägerin macht einen Zahlungsanspruch einer aus ihr selbst und ihren zwei Brüdern bestehenden Erbengemeinschaft gegen den Beklagten, langjährigen Lebensgefährten der verstorbenen Mutter der Klägerin (Erblasserin) geltend. Die Parteien streiten um die Frage, ob ein von der Erblasserin in ihrem notariellen Testament vom 10.12.2009 ausgesetztes Vermächtnis zugunsten des Beklagten über einen Pkw VW Polo dahingehend auszulegen ist, dass dem Beklagten der bei Veräußerung des Fahrzeugs vier Monate vor dem Tod der Erblasserin erzielte Verkaufserlös zustehen sollte. Weitere von der Klägerin erhobene Zahlungsansprüche sind nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen der Klage in Höhe von 10.500,00 EUR nebst Zinsen stattgegeben und damit den Beklagten zur Herausgabe des von ihm (als Testamentsvollstrecker) an sich selbst überwiesenen Verkaufserlöses für das Fahrzeug VW Polo verurteilt. Es hat nach Vernehmung eines von dem Beklagten benannten Zeugen und unter Auslegung des notariellen Testaments angenommen, die Erblasserin habe dem Beklagten kein Geldvermächtnis hinterlassen wollen.
Der Beklagte erstrebt unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Abweisung der Klage insgesamt. Mit seiner Berufung greift er die vom Landgericht vorgenommene ergänzende Auslegung des Testaments und die Beweiswürdigung in Bezug auf die Zeugenvernehmung an. Er meint, das Vermächtnis könne nicht anders ausgelegt werden als dahin, dass er den Erlös aus dem Verkauf des Fahrzeugs als Surrogat habe erhalten sollen.
2 Gründe
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder gem. §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, d.h. einer Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Das Landgericht hat richtig entschieden. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe der Entscheidung Bezug.
Das Berufungsvorbringen des Beklagten führt zu keinem anderen Ergebnis.
Der auf Leistung an die Erbengemeinschaft gerichtete Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, weil der Beklagte, der sich diesen Betrag als Testamentsvollstrecker selbst in der Annahme überwiesen hat, er stehe ihm aufgrund des zu seinen Gunsten im Testament vom 10.12.2009 ausgesetzten Vermächtnisses zu, insoweit ohne Rechtsgrund bereichert ist. Ein Anspruch des Beklagten auf den Verkaufserlös von 10.500 EUR ergibt sich insbesondere nicht aus dem Testament der Erblasserin vom 10.12.2009 (dort § 2 Ziffer 4, Bl. 4 des Anlagenheftes) i.V.m. § 1939 BGB.
Der dem Beklagten durch Vermächtnis zugewandte Gegenstand, der Pkw VW Polo, befand sich zum Zeitpunkt des Erbfalls unstreitig nicht mehr in der Erbmasse, sondern war etwa vier Monate zuvor von der Erblasserin an einen Dritten veräußert worden, weil der Gesundheitszustand des Beklagten, der das Fahrzeug überwiegend gefahren hatte, das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht mehr gefahrlos zuließ. Grundsätzliche Rechtsfolge dessen ist gemäß § 2169 Abs. 1 BGB die Unwirksamkeit des Vermächtnisses.
Auf die Vorschrift des § 2169 Abs. 3 BGB kann der Beklagte seinen Anspruch nicht stützen. Nach dieser Vorschrift gilt im Zweifel der Anspruch auf Ersatz des Wertes als vermacht, wenn der Gegenstand dem Erblasser entzogen oder untergegangen ist. Die freiwillige Veräußerung des vermachten Gegenstandes ist keine Entziehung, und sie bewirkt auch nicht den Untergang des Gegenstandes. Hat daher der Erblasser den Vermächtnisgegenstand veräußert und den Erlös selbst noch eingezogen, ist der Gegenstand weder untergegangen noch entzogen, so dass § 2169 Abs. 3 BGB nicht anwendbar ist. Die Vorschrift kann auf diesen Fall nicht entsprechend angewendet werden, da sie nicht Niede...