Leitsatz
Allein die darlehensweise Gewährung von Sozialhilfe berechtigt die Leistungsbehörde nicht, im Rahmen des § 102 SGB XII die Erteilung eines Erbscheins für den Erben des Leistungsempfängers zu beantragen. Vielmehr sind die Ansprüche gegen den Erben durch einen eigenständigen Leistungsbescheid geltend zu machen, wobei dieser Bescheid den Vollstreckungstitel gegen den Erben bildet, ohne dass es zur Vollstreckung noch eines Erbscheins bedarf.
OLG Köln, Beschl. v. 15.12.2023 – 2 Wx 212/23
1 Gründe
I.
Der Erblasser wohnte in einem Alten- und Pflegeheim. Mit Bescheid vom 23.1.2006 übernahm die Beteiligte zu 1) die nicht gedeckten Pflegekosten. Die Bewilligung erfolgte darlehensweise, weil der Erblasser über nicht sofort verwertbare, nicht zum Schonvermögen gehörende Vermögenswerte verfügte (Bl. 32 f.). Mit Bescheid vom 27.7.2017 forderte die Beteiligte zu 1) einen Betrag i.H.v. 118.312,98 EUR zurück (Bl. 35 f.). Am 18.5.2018 verstarb der Erblasser. Mit Bescheid vom 22.8.2018 wurde der gegen den vorgenannten Bescheid gerichtete Widerspruch "in der Widerspruchssache des Herrn R. R., … , vertreten durch die Bevollmächtigte Frau G. B.-R. …" zurückgewiesen (Bl. 37 f.). Das hiergegen von der Beteiligten zu 2), der Witwe des Erblassers, in dessen Namen angestrengte Klageverfahren vor dem Sozialgericht Köln (Bl. 43 ff.) wurde vom Gericht als erledigt angesehen und nicht mit einer Sachentscheidung beendet (Bl. 46).
Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 26.9.2018 schlug die Beteiligte zu 2) die Erbschaft aus allen Berufungsgründen aus und focht eine etwaige Annahme der Erbschaft durch Versäumung der Ausschlagungsfrist an. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass die Ausschlagung binnen einer bestimmten Frist zu erfolgen habe, dass hierzu eine beglaubigte Erklärung erforderlich sei und dass die Frist mit Kenntnis vom Anfall der Erbschaft beginne. Auch sei ihr im Zeitpunkt des Todes nicht bekannt gewesen, ob eine Verfügung von Todes wegen vorliege oder nicht. Eine etwaige Annahme der Erbschaft focht sie ferner vorsorglich wegen Irrtums über wesentliche Eigenschaften des Nachlasses an (Bl. 1).
Mit Schreiben vom 7.7.2022 (Bl. 151 f.) hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Mindestteilerbscheins beantragt und die Auffassung vertreten, sie besitze eine bestandskräftige Forderung gegen die Erben des Erblassers, die nach § 102 SGB XII zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet seien, wobei der ersatzfähige Aufwand auf den Wert des im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlasses begrenzt sei. Die Beteiligte zu 2) habe die Erbschaft nicht wirksam ausgeschlagen, da sie das Geld ihres Mannes in einem Safe verwahrt und darüber verfügt habe. Später hat sie klargestellt, dass der Teilerbschein über eine Quote von ¾ beantragt werde (Bl. 220).
Dem Antrag ist die Beteiligte zu 2) entgegengetreten. Sie hat im Wesentlichen vorgebracht, die Erbschaft wirksam ausgeschlagen zu haben. Eine konkludente Annahme der Erbschaft sei nicht erfolgt. Das Geld sei bis zum Erbfall aufgebraucht worden. Auch sei sie aufgrund einer Vorsorgevollmacht zur Verfügung hierüber befugt gewesen. Zudem sei die Forderung der Beteiligten zu 1) mangels gerichtlicher Geltendmachung verjährt.
Durch den am 24.7.2023 erlassenen Beschl. v. 21.7.2023 hat die Nachlassrechtspflegerin die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1) erforderlichen Tatsachen festgestellt und die Erteilung eines Mindest-Teil-Erbscheins zu ¾ Anteil "bewilligt". (Bl. 230 f.). Im Wesentlichen hat sie ausgeführt, die Forderung sei nicht verjährt, weil sie gegenüber der Nachlasspflegerin fristgerecht geltend gemacht worden sei. Der Einwand der Beteiligten zu 2), das Vermögen sei verbraucht, könne nicht nachvollzogen werden. Wenn die 1945 geborene Beteiligte zu 2) angebe, das Geld für ihre private Altersvorsorge zu beanspruchen, werde sie wohl kaum einen Betrag i.H.v. 120.000 EUR innerhalb von 3 ½ Jahren vor dem Erbfall verbraucht haben. Der Verweis auf die Vorsorgevollmacht greife für die Zeit nach dem Erbfall nicht durch; insoweit seien Verfügungen als konkludente Annahme der Erbschaft zu sehen.
Gegen den ihr zu Händen ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 27.7.2023 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihrer Beschwerde, die durch den am 3.8.2023 bei dem AG eingegangenen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigen erhoben worden ist (Bl. 248 ff.). Sie vertieft ihre erstinstanzlich vorgebrachten Argumente.
Die Beteiligte zu 1) ist der Beschwerde entgegengetreten (Bl. 279 ff.).
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem OLG vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des Feststellungsbeschlusses sowie zur Ablehnung des Erbscheinsantrags.
Denn der Beteiligten zu 1) mangelt es an der erforderlichen Befugnis, die Erteilung eines Erbscheins zu beantragen.
Nach § 792 ZPO kann der Gläubiger anstelle des Schuldners die Erteilung eines Erbscheins verlangen, wenn er ihn zum Zweck der Zwangsvollstreckung benötigt. ...