I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte fünf Geschwister. Die Eltern der Klägerin verfassten ein sog. Berliner Testament. Sie setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein, wobei der überlebende Ehegatte über den Nachlass und sein eigenes Vermögen frei verfügen konnte. Als Erben des Überlebenden (sog. Schlusserben) setzten die Eheleute die Klägerin und drei ihrer Schwestern (A, B und C) ein. Der Bruder (D) und eine weitere Schwester (E) wurden enterbt. Weiter enthielt das Testament eine sog. Jastrowsche Klausel. Diese regelte für den Fall, dass eines der Kinder auf den Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangen sollte, dieses Kind auch vom Nachlass des überlebenden Ehegatten nur den Pflichtteil erhalten sollte. Die zu Erben des Überlebenden berufenen Geschwister, die den Pflichtteil bei Tod des Erstversterbenden nicht verlangten, sollten in diesem Fall aus dem Nachlass des Erstversterbenden ein Vermächtnis erhalten, das so hoch sein sollte, wie ihr Erbanteil bei gesetzlicher Erbfolge auf Ableben des Erstversterbenden und Übernahme der Pflichtteilslast für die den Pflichtteil fordernden Geschwister. Die Vermächtnisse sollten beim Tod des Erstversterbenden anfallen, aber erst beim Tod des Letztversterbenden ausgezahlt werden.
Nach dem Tod des Vaters machten D und E gegenüber der Mutter Pflichtteilsansprüche geltend. Nach dem Tod von C, die keine Abkömmlinge hinterließ, errichtete die Mutter ein Testament, mit dem sie die Klägerin, A und B als Erben einsetzte und D und E von der Erbschaft ausschloss.
Nach dem Tod der Mutter, die im Jahr 2012 verstarb, erklärten die Klägerin, A und B in der Erbschaftsteuererklärung u.a. Nachlassverbindlichkeiten aus betagten Vermächtnissen nach dem Tod des Vaters i.H.v. insgesamt 3.329.593 EUR.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt –FA–) setzte gegenüber der Klägerin für den Erbfall nach der verstorbenen Mutter zuletzt mit Änderungsbescheid v. 9.7.2018 Erbschaftsteuer i.H.v. 383.531 EUR fest. Dabei erkannte das FA die erklärten anteiligen Nachlassverbindlichkeiten i.H.v. 1.109.864,33 EUR (= ein Drittel von 3.329.593 EUR) aus betagten Vermächtnissen nicht mehr an. Eine Besteuerung des von der Klägerin erworbenen betagten Vermächtnisses – welches beim Tod des Vaters angefallen, jedoch erst mit dem Tod der Mutter fällig geworden war – unterblieb.
Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung v. 26.9.2018 zurück. Es führte in der Begründung aus, dass in dem Änderungsbescheid v. 9.7.2018 bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer die betagten Vermächtnisse zwar nicht anteilig als Nachlassverbindlichkeit in Abzug gebracht worden seien, jedoch der von der Klägerin erworbene Vermächtnisanspruch dem Erwerb auch nicht hinzugerechnet worden sei, sodass sich die beiden Posten im Ergebnis ausgeglichen hätten. Da sowohl die Steuerklasse als auch der Steuersatz bei dem Erwerb von Vater und Mutter identisch gewesen seien, habe keine Aufteilung gem. § 6 Abs. 2 S. 3 und 5 ErbStG vorgenommen werden müssen. Gem. § 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG könne der Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in der Summe nur einmal berücksichtigt werden.
Die Klage vor dem FG, mit der die Klägerin weiterhin begehrte, dass zum einen das betagte Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit bei der Berechnung der Erbschaftsteuer nach dem Tod der Mutter in Abzug gebracht, und zum anderen, dass ihr zusätzlich der Freibetrag nach dem Vater gewährt wird, hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG und eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 119 Nr. 3, 96 Abs. 2 FGO).
Es käme zu einer doppelten Besteuerung des Vermächtnisses, wenn das Vermächtnis nach dem Tod der Mutter bei ihr – der Klägerin – der Besteuerung unterliege, aber nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug zu bringen sei. Eine solche Vorgehensweise wäre nur zulässig, wenn das betagte Vermächtnis wie eine Vor- und Nacherbschaft zu behandeln sei. Eine solche Behandlung sei aber unrichtig, sodass das FA eine unzutreffende Hinzurechnung des Vermächtnisses bei dem Erbfall nach dem Tod der Mutter fiktiv nach § 6 Abs. 4 ErbStG vorgenommen habe.
Das FG stütze seine Argumentation darauf, dass die Vermächtnisverbindlichkeit nicht in Abzug gebracht werden könne, weil in gleicher Höhe ansonsten wieder eine Hinzurechnung des betagten Vermächtnisses erfolgen müsse. Dieses Argument sei zwischen den Beteiligten nicht diskutiert worden, sodass die FG-Entscheidung überraschend sei. Schließlich seien das zugerechnete betagte Vermächtnis und die abzuziehende Verbindlichkeit nicht identisch. Das betagte Vermächtnis entspreche dem gesetzlichen Erbteil nach dem Tod des Vaters, die Vermächtnisverbindlichkeit sei diejenige, die die nachverstorbene Mutter getroffen habe. Letztere sei höher – auch pro einzelnem Erben, weil damals noch vier Erben gelebt hätten – als das erfüllte betagte Vermächtnis an die drei noch lebenden Erben. Deshalb könnten sich Hi...