Das notarielle Nachlassverzeichnis nach § 2314 BGB erfreut sich – jedenfalls bei den Pflichtteilsberechtigten und ihren Vertretern – zunehmender Beliebtheit. Erwartet wird dabei zumeist insbesondere ein möglichst vollständiger Überblick über die pflichtteilsrelevanten Bankbeziehungen der Erblasserin bzw. des Erblassers.

Die Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren zunehmend die Tendenz entwickelt, dass im Rahmen der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses (regelmäßig) die (sämtliche) Bankbelege/Kontoauszüge der (wenigstens) letzten zehn Jahre vor dem Todesfall durchzusehen und zu überprüfen seien. Gestützt wird dies auf die auch jüngst vom BGH[1] wiederholte Formel, die Notarin/der Notar habe "diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde".

Aber was bedeutet das? Pflichtteilsberechtigte gehen oftmals – berechtigter- oder unberechtigterweise – davon aus, dass die Erblasser ihre Vermögensverhältnisse in Vorbereitung auf eine spätere pflichtteilsrechtliche Auseinandersetzung bewusst verschleiert hätten. Vor diesem Hintergrund halten sie globale Nachforschungen, beispielsweise automatisierte Kontendatenabrufe, für unabdingbar erforderlich, und zwar auch bzw. gerade dann, wenn es an Anhaltspunkten für das Bestehen weiterer, vom Erben nicht bereits offengelegter, Bankbeziehungen fehlt.

Unabhängig davon, dass entsprechende notarielle Ermittlungsmöglichkeiten ohne die Mitwirkung des/der Erben nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen, ist der BGH nunmehr derartigen Ansinnen grundsätzlich entgegengetreten und hat festgestellt: "Der Notar ist dagegen nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte in allen denkbaren Richtungen zu ermitteln, um weiteres Nachlassvermögen aufzuspüren."

Gut so! Denn bei aller Sympathie für die berechtigten Interessen der Pflichtteilsberechtigten kann es gewiss keine notarielle Aufgabe sein, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Verstorbenen sozusagen ins Blaue hinein umfassend auszuforschen. Das bedeutet auch gerade keinen Widerspruch zur eingangs zitierten These, dass sich der Umfang der erforderlichen Nachforschungen an der Perspektive eines objektiven Dritten in der Situation des Gläubigers zu orientieren hat. Denn dieser würde – eingedenk des Rechts (auch Verstorbener) auf informationelle Selbstbestimmung – gerade nicht ins Blaue hinein recherchieren.

Vielmehr würde er (wahrscheinlich äußerst akribisch) dort nachforschen, wo konkrete Anhaltspunkte dies rechtfertigen. Solche Anhaltspunkte ergeben sich mitunter (erst) aus der Auswertung der ohne Recherchen ins Blaue hinein zur Verfügung stehenden Informationen, insbesondere der verfügbaren Bankbelege. Soweit aus diesen Hinweisen bislang unbekannte weitere Bankbeziehungen ersichtlich sind, bestehen konkrete Anhaltspunkte für weitere Nachforschungen. Diesen müssen Notarinnen und Notare (wie eben jeder objektive Dritte in der Situation des Gläubigers) selbstverständlich nachgehen. Insoweit ist detektivische Arbeit bzw. forensische Analyse nicht nur erlaubt, sondern geboten. Die Fishing Expedition nach dem Prinzip Hoffnung ist es aber nicht.

ZErb 5/2024, S. I

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