Im internationalen Verfahrensrecht gilt grundsätzlich, dass, soweit keine vorrangigen staatsvertraglichen Regelungen bestehen, die örtliche Zuständigkeit die internationale Zuständigkeit indiziert. Anders als im streitigen Zivilprozess gilt für Nachlass- und Teilungssachen jedoch der strenge Gleichlaufgrundsatz. Für die internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte muss deutsches materielles Erbrecht danach mindestens teilweise zur Anwendung gelangen. Ob deutsches materielles Erbrecht zur Anwendung gelangt, richtet sich entweder nach einem mit dem Heimatstaat des Erblassers abgeschlossenen Staatsvertrag oder mangels eines solchen nach Art. 25 EGBGB. Die denklogisch erst später folgende Bestimmung des anwendbaren Rechts hat der mit der Beantragung eines Erbscheins mit Auslandsbezug beauftragte Rechtsanwalt daher bereits in diesem Stadium vorzunehmen. Gemäß Art. 25 Absatz 1 EGBGB wären deutsche Nachlassgerichte damit immer dann international zuständig, wenn der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war oder gemäß Art. 25 Absatz 2 EGBGB, wenn er in Form einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen deutsches Recht gewählt hat. Darüber hinaus wären deutsche Nachlassgerichte auch immer dann international zuständig, wenn wegen einer Rück- oder Weiterverweisung durch die Kollisionsnorm des Heimatrechts des Erblassers deutsches Erbrecht anzuwenden wäre. Derartige Rück- und Weiterverweisungen nimmt das deutsche Recht gemäß Art. 4 Absatz 1 Satz 2 EGBGB an. Sie können auch dazu führen, dass deutsches Recht nur auf einen Teil des Nachlasses anzuwenden und der Erbschein daher beschränkt zu erteilen wäre, sogenannte Nachlassspaltung.
Damit sind deutsche Nachlassgerichte jedenfalls immer in folgenden Fällen zur Entscheidung berufen:
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Der Erblasser ist deutscher Staatsangehöriger, Art. 25 Absatz 1 EGBGB. |
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Der Erblasser hat für in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen deutsches Recht gewählt, Art. 25 Absatz 2 EGBGB |
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Das Heimatrecht des Erblassers verweist auf deutsches Recht zurück. |
Ist nach den vorgenannten Grundsätzen ausländisches Erbrecht anzuwenden, sind deutsche Nachlassgerichte auch dann international zuständig, wenn sich gemäß § 2369 BGB Nachlassgegenstände in Deutschland befinden. § 2369 BGB verlangt dann jedoch die Anwendung fremden materiellen Rechts, was im Einzelfall ersichtlich zu einem hohen Bearbeitungs- und gegebenenfalls Kostenaufwand führen kann. Der bearbeitende Rechtsanwalt sollte daher spätestens an dieser Stelle äußerst genau prüfen, ob er die Rechtslage richtig beurteilen kann. Zwar gilt im Erbscheinsverfahren gemäß § 12 FGG der Amtsermittlungsgrundsatz, sodass das Nachlassgericht grundsätzlich von Amts wegen das ausländische Recht ermittelt. Allerdings haben die Beteiligten eines Erbscheinsverfahrens die Pflicht, durch entsprechende Tatsachendarstellung an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, und der Umfang der Ermittlungen liegt im Ermessen des Nachlassgerichts. Es besteht daher nicht nur das Risiko von Fehlentscheidungen durch das Nachlassgericht, sondern auch ein Haftungsrisiko für den beauftragten Rechtsanwalt. Dieser soll nach einer Entscheidung des OLG Hamm bei Mandatierung entweder darauf hinweisen, dass er die ausländische Gesetzesmaterie nicht beherrscht und deswegen den Rat eines Fachkundigen einholen oder sich selbst die notwendigen Kenntnisse verschaffen muss. Im letztgenannten Fall ist der Rechtsanwalt verpflichtet, sich entsprechende Erkenntnisquellen im Rahmen des Zumutbaren zu verschaffen, was nach vorerwähnter Entscheidung zumindest dann unproblematisch möglich sein soll, wenn der ausländische Gesetzestext in deutscher Sprache erhältlich ist. Eine genaue Prüfung empfiehlt sich darüber hinaus auch deswegen, um die Honorarforderung wegen des etwaig erhöhten Bearbeitungsaufwandes mit dem Mandanten zu besprechen.
Neben dem in § 2369 BGB gesetzlich normierten Ausnahmefall hat die Rechtsprechung einige weitere Ausnahmefälle vom strengen Gleichlaufgrundsatz herausgearbeitet. Während überwiegend wohl weiterhin die Ansicht vertreten wird, dass die deutschen Nachlassgerichte nur dann international zuständig sind, wenn für die Erbfolge inländisches Recht mindestens teilweise anzuwenden ist, wird diese enge Ansicht seit jeher hauptsächlich von der Literatur kritisiert. Mit letztgenannter Ansicht soll die internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte in zwei weiteren Fällen gegeben sein. Zum einen sollen Nachlassgerichte zuständig sein, wenn deren Tätigkeit der Verwirklichung des maßgeblichen ausländischen Rechts dient, das ausländische Recht eine derartige Mitwirkung billigt und die Tätigkeit des Gerichts diesem nicht wesensfremd ist. Zum anderen sollen sie zur vorläufigen Sicherung des Nachlasses zuständig sein. Dies betrifft insbesondere Fälle der Siegelung des Nachlasses, die Aufnahme von Nachlassverzeichnissen, die Ablieferung und Aufbewahrung von Test...