Leitsatz
Für die Qualifikation als Landgut und die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebs kommt es ausschließlich auf die Verhältnisse zurzeit des Erbfalls an.
OLG München, Urteil vom 18. März 2009 – 20 U 2160/06
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Höhe eines Vermächtnisanspruchs des Klägers.
Die Beklagte ist gemäß notariellem Ehe- und Erbvertrag vom 7.12.1949 (Anlage K 2) Alleinerbin ihres am 28.5.2000 verstorbenen Ehemanns Robert H., mit dem sie im Güterstand der Gütergemeinschaft gelebt hatte. Abkömmlinge des zuerst versterbenden Eheteils sollten nach diesem Vertrag den dritten Teil des Gesamtguts als Vermächtnis erhalten.
Der Erblasser hat drei Söhne hinterlassen, nämlich den Kläger, den Nebenintervenienten und den am 7.4.2007 verstorbenen Siegfried H. (zukünftig Siegfried H.). Dem Kläger steht somit ein Vermächtnis in Höhe von 1/9 des Gesamtguts zu.
Der Erblasser und die Beklagte hatten Siegfried H. mit Vertrag vom 13.4.1981 ihren gemeinschaftlichen landwirtschaftlichen Betrieb verpachtet. Am 18.12.2001 schlossen die Beklagte und Siegfried H. einen Wirtschaftsüberlassungsvertrag (Anlage K 11), in dessen § 4 Ziff. 1. festgestellt ist, dass der Nutzungsberechtigte Siegfried H. als Hoferbe vorgesehen ist.
Die Parteien streiten um die Frage, ob dieser zum Nachlass gehörende landwirtschaftliche Betrieb im Rahmen der Wertberechnung des Gesamtguts mit dem Verkehrswert, der zurzeit des Erbfalls 1.786.743,66 DM betrug, oder dem Ertragswert anzusetzen ist.
Der Kläger war und ist der Ansicht, der landwirtschaftliche Betrieb erwirtschafte nur Verluste und sei daher nicht erhaltungswürdig. Siegfried H. sei weder psychisch noch physisch in der Lage gewesen, das Anwesen sinnvoll zu bewirtschaften. Dem Ehe- und Erbvertrag seiner Eltern sei keine Anordnung zu entnehmen, dass das Landgut zum Ertragswert zu übernehmen sei. Es käme nur die Bewertung nach dem Verkehrswert in Betracht.
Der Kläger beantragte daher zuerst, die Beklagte zur Zahlung von 101.505 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Über den von der Beklagten anerkannten Betrag von 17.800 EUR erging am 9.11.2005 antragsgemäß ein Teilanerkenntnisurteil. In der Folge beantragte der Kläger, die Beklagte zur Zahlung weiterer 83.705 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. <..>
Das Landgericht Landshut hat der Klage mit Schlussurteil vom 23.1.2006 in vollem Umfang stattgegeben, da das verfahrensgegenständliche Landgut mit dem Verkehrswert anzusetzen sei. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird verwiesen.
Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten. (...)
Der Senat hat der Berufung mit Urteil vom 21.6.2006 stattgegeben und das Schlussurteil des Landgerichts Landshut vom 23.1.2006 aufgehoben. Dabei ging er davon aus, dass es sich bei dem zum Nachlass gehörenden Anwesen um ein Landgut handele, welches kraft Anordnung des Erblassers zum Ertragswert zu übernehmen sei. Auf die Gründe dieses Urteils wird ergänzend verwiesen. Mit Beschluss vom 26.9.2007 ließ der Bundesgerichtshof die Revision gegen dieses Urteil zu, hob das Urteil vom 21.6.2006 auf und verwies den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück, mit der Begründung, der Senat habe das rechtliche Gehör des Klägers verletzt. (...)
Nach der Zurückverweisung hat der Senat aufgrund des Beschlusses vom 16.4.2008 (Bl 118/119 dA) Beweis erhoben durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des ... Bauernverbandes. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 2.10.2008 (Bl 126/151 dA) und die Anhörung des Sachverständigen Hu. im Termin vom 4.2.2009 (Bl 199/205) verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 30.10.2008 trat der Bruder Robert H. dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Beklagten bei. (...)
Aus den Gründen
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das streitgegenständliche zum Nachlass gehörende landwirtschaftliche Anwesen ist ein Landgut und als solches kraft Anordnung des Erblassers zum Ertragswert zu übernehmen. (...)
2. Die Klage ist (...) nicht begründet, sodass auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen ist.
a) Wie bereits im Urteil vom 14.6.2006 ausgeführt, unterliegt die Bewertung des verfahrensgegenständlichen landwirtschaftlichen Betriebs der Bestimmung des § 2312 Abs. 2 BGB in entsprechender Anwendung. Dies hat der Bundesgerichtshof nicht beanstandet. Auf die Ausführungen im Urteil vom 14.6.2006 wird deshalb verwiesen.
Hier gehört zu dem streitgegenständlichen Nachlass ein Landgut im Sinne von § 2312 BGB:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter einem "Landgut" im Sinne der §§ 2312, 2049 BGB eine Besitzung zu verstehen, die eine zum selbstständigen und dauernden Betrieb der Landwirtschaft einschließlich der Viehzucht oder der Forstwirtschaft geeignete und bestimmte Wirtschaftseinheit darstellt und mit den nötigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehen ist. Sie muss eine gewisse Größe erreichen und für den Inhaber eine selbstständige Nahrungsquelle darstellen, ohne dass eine...