In der Literatur besteht nicht erst seit dem Abschluss des DBA D-FL, sondern bereits seit mittlerweile mindestens 15 Jahren, weitgehend Einigkeit, dass die Beschränkung der Gewährung des genannten Erbschaftsteuerklassenprivilegs auf Familienstiftungserrichtungen im Inland eine europarechtlich unzulässige, nicht rechtfertigungsfähige Diskriminierung darstellt, die vorliegend aufgrund des Anwendungsvorrangs europäischen Primärrechts (Art. 40 EWR-A) zurückzutreten hat.
Die Argumentationslinie ist die gleiche wie im Bereich der unentgeltlichen Zuwendungen deutscher Stifter an liechtensteinische Stiftungen, die den deutschen Gemeinnützigkeitskriterien der § 51–68 AO genügen. Die in diesem Bereich noch bis vor kurzem bestehenden Diskriminierungen im deutschen Erbschaftsteuerrecht in § 13 Abs. 1 Nr. 16 lit. c ErbStG wurden inzwischen durch das StÄndG per 1.1.2016 aufgehoben. Die Änderungen erfolgten allerdings nicht "freiwillig", sondern mussten durch ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland erzwungen werden.
Die Änderung im Rahmen des StÄndG erfolgte über 5 Jahre nach einer bereits 2011 mit konkreten Empfehlungen abgeschlossenen Initiative der EU-Kommission, die darauf gerichtet war, bestehende und klarerweise europarechtlich unzulässige Diskriminierungen im Bereich der Erbschaftsteuer und auch der Schenkungsteuer im EWR abzubauen. Die Mitgliedstaaten folgten den Empfehlungen, wenn überhaupt, dann nur zögerlich. Dies wiederum veranlasste die EU-Kommission, Vertragsverletzungsverfahren nicht nur gegen Deutschland, sondern auch gegen andere Länder, wie z. B. Italien, Frankreich und Griechenland einzuleiten, um diese klaren Vertragsverletzungen nunmehr auf dem Rechtsweg gegen Androhung von Strafen zu unterbinden.
Im Bereich der Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen mögen die noch bis vor kurzem bestehenden Diskriminierungen durch die Änderung des § 13 Abs. 1 Nr. 16 c ErbStG nunmehr aufgehoben sein; im Bereich des § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG bestehen sie unverständlicherweise weiterhin. Dies ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass § 15 Abs. 2 S. 1 ErbStG aufgrund des Vorrangs europäischen Primärrechts – wie auch im Bereich der gemeinnützigen Stiftungen (s. o.) vorliegend bei der Besteuerung unberücksichtigt zu bleiben hat, wie an dieser Stelle noch einmal zusammenfassend dargestellt werden soll.
Das Fürstentum Liechtenstein ist Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), in welchem gem. Art. 40 iVm Anhang XII EWR-Vertrag die innerhalb der EU geltende europäische Grundfreiheit der Kapitalverkehrsfreiheit in entsprechender Weise gilt. Gem. Art. 40 EWR-Abkommen unterliegt der Kapitalverkehr "in Bezug auf Berechtigte, die in den EG-Mitgliedstaaten oder den EFTA-Staaten ansässig sind, keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes". Es wird auf die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel in Anhang XII des Vertrags verwiesen, in welchem wiederum die Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG für anwendbar auch im Rahmen des EWR-Abkommens erklärt wird.
Was als Kapitalverkehr im Sinne des Art. 56 EG bzw. Art. 40 EWR-Abkommen gilt, lässt sich nach der Rechtsprechung des EuGH aus Anhang I der nicht abschließenden Nomenklatur von Kapitalverkehrsgeschäften der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG erkennen. In dieser Nomenklatur ist die Errichtung einer Stiftung zusammen mit den Schenkungen als Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter genannt.
Der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ist eröffnet, wenn es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt. Der vorliegende Kapitalverkehr ist unzweifelhaft grenzüberschreitend, da ein im Inland ansässiger Stifter Vermögen auf eine ausländische Familienstiftung des EWR-Staates Liechtenstein überträgt.
Die nach nationalem Recht umfassenderen Besteuerungsanspüche des Sachverhalts im EWR gegenüber einem vergleichbaren Sachverhalt im Inland (s. o. Punkt 2.1) stellen zweifelsohne eine nachteilige Ungleichbehandlung dar.
Die aufgezeigte Ungleichbehandlung der grenzüberschreitenden Erstdotierung einer im Fürstentum Liechtenstein ansässigen Familienstiftung durch einen Stifter im Inland mit der Errichtung einer Familienstiftung im Inland betrifft einen vergleichbaren Sachverhalt und stellt deswegen einen unzulässigen Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit, also eine Diskriminierung, dar.
Die beschriebene Diskriminierung kann auch nicht gerechtfertigt werden. Es sind keine Gründe des zwingenden Allgemeininteresses ersichtlich. Die vorliegende liechtensteinische Familienstiftung bietet einen den deutschen Vorschriften entsprechenden Regelungsrahmen, es sind ihnen deswegen auch die gleichen steuerlichen Vergünstigungen wie inländischen Familienstiftungen zu gewähren.
Die Argumentation, es sei bei liechtensteinischen Familienstiftungen nicht gewährleistet, dass die steuerlichen Rahmenb...