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Eine geschickte Nachlassplanung eröffnet zahlreiche Möglichkeiten, Vermögenswerte, insbesondere auch Immobilien, unter Ausnutzung steuerlicher Entlastungseffekte sowie Vermeidung von Auseinandersetzung zwischen mehreren Abkömmlingen bereits zu Lebzeiten auf die nächste Generation zu übertragen. Zu berücksichtigen ist dabei auch immer die größtmögliche Absicherung des Übertragenden und seines Ehepartners. Der Beitrag stellt Probleme dar und weist Lösungsmöglichkeiten auf.
I. Einführung
In der Beratungspraxis stellt sich immer wieder die Frage, ob Vermögenswerte bereits zu Lebzeiten auf die nächste Generation übertragen werden sollen. Bei der Abwägung zwischen der lebzeitigen Übertragung und der Übertragung durch letztwillige Verfügung sprechen für die Übertragung unter Lebenden gute Gründe, wie der sofortige Entlastungseffekt beim Übertragenden, die Möglichkeit, Streitigkeiten unter mehreren Nachkommen abzufedern, schenkungsteuerliche Erwägungen, die Chance, nach Ablauf von zehn Jahren seit der Schenkung dem Rückforderungsregress des Sozialhilfeträgers zu entgehen, sowie die Chance, unliebsame Pflichtteilsberechtigte auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu beschränken.
Die Kehrseite ist aber, dass der Übertragende die Kontrolle über sein Vermögen verliert und gerade im Alter nicht mehr die Freiheit hat, nach seinen Wünschen zu agieren.
Hingegen ermöglicht die Übertragung des Vermögens im Wege der letztwilligen Verfügung dem Erblasser bis zum letzten Moment die freie Verfügungsmacht über Substanz und Ertrag seines Vermögens und sowie eine über den Tod hinaus währende Einflussnahme durch kontroll- und verfügungsentziehende Momente wie beispielsweise Testamentsvollstreckung oder die Regelung durch Vor- und Nacherbschaft.
Eine geschickte Nachlassplanung setzt zunächst die ehrliche Auseinandersetzung mit den Beweggründen möglicher Übertragungen zu Lebzeiten voraus (hierzu unter II.) und fordert sodann eine Gestaltung, die die Interessen des Übertragenden und seines Ehepartners mitberücksichtigt.
II. Vorweggenommene Erbfolge
Übertragungen zu Lebzeiten erfolgen regelmäßig im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Der Begriff ist gesetzlich nicht definiert; umfasst aber gemeinhin alle Vermögensübertragungen unter Lebenden, die in der Erwartung vorgenommen werden, dass der Übernehmer im Erbfall das Vermögen ohnehin erhalten hätte. Die Varianten an Übertragungen sind so vielfältig wie die verfolgten Ziele und Interessen.
Das Instrument der vorweggenommenen Erbfolge bietet sich insbesondere dann an, wenn die übergebende Generation über ein Vermögen verfügt, das die erbschaftsteuerlichen Freibeträge bei Weitem übersteigt. Diese Freibeträge sind in § 16 ErbStG festgelegt und betragen beispielsweise für Ehepartner 500.000 EUR und für Kinder, Stiefkinder und Kinder verstorbener Kinder 400.000 EUR. Diese Freibeträge können bei einem Erwerb von mehreren Personen gesondert in Anspruch genommen werden, da jeder Erwerb grundsätzlich in voller Höhe abgezogen werden kann. Eine steuerliche Beratung kann ergeben, dass diese erbschaftsteuerlichen Freibeträge möglichst mehrfach, d.h. auch durch mehrere Übertragungsvorgänge unter Lebenden ausgenutzt werden sollen.
Zwischen 2010 und 2020 wurden Vermögenswerte i.H.v. 2,6’Billionen EUR übertragen, das sind 27 % des Vermögensbestands aller privaten Haushalte in Deutschland.
Als Hauptmotive für die Übertragung unter Lebenden werden in angegebener Reihenfolge genannt:
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die Ausnutzung der Zehn-Jahres-Fristen für die Wiedergewährung der Schenkung/erbschaftsteuerlichen Freibeträge |
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Asset protection |
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die Verteilung des Vermögens unter Mitwirkung der Kinder |
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die Sicherstellung des Veräußerers im Alter |
1. Übertragungen unter Lebenden
Es gibt sehr unterschiedliche Übertragungsformen, die im Folgenden kurz skizziert und charakterisiert werden sollen.
a) Schenkungen
Die Schenkung ist der wichtigste Anwendungsfall einer Übertragung zu Lebzeiten, wobei das entscheidende Merkmal der reinen Schenkung der bewusste Verzicht auf eine Gegenleistung ist. Objektiv setzt die Schenkung eine auf Dauer angelegte Bereicherung des Empfängers voraus. Die Schenkung ist ein Vertrag, d.h. der Beschenkte muss die Schenkung annehmen.
An der Unentgeltlichkeit der Schenkung fehlt es, wenn es sich um eine gemischte Schenkung handelt (s. unten) oder aber, wenn die Zuwendung unter einer Bedingung erfolgt oder eine Leistung bewirkt werden oder eine Verpflichtung eingegangen werden soll.
Auch bereits erbrachte Leistungen können die Unentgeltlichkeit mindern, wie z.B. Pflegeleistungen. Subjektiv ist die Einigung der Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung erforderlich.
Beachte:
Die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung wird nicht als Schenkung, sondern als Leihe gewertet, da das Vermögen des Überlassenden in seiner Substanz nicht gemindert wird.
Unter den Erwerbsformen des BGB ist die Schenkung die schwächste. So bestehen Widerrufsrechte z.B. bei grobem Und...