Leitsatz
Die Verpflichtung gegenüber anderen Miterben zur Auskunft über den Bestand und Verbleib des Nachlasses kann unbeschadet eines etwaigen Erbschaftsbesitzers im Einzelfall auch deshalb bestehen, weil der in Anspruch genommene Miterbe bis zum Tode gesetzlicher Betreuer des Erblassers war oder weil er nach dem Erbfall die weitere Abwicklung des Nachlasses übernommen hat.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.12.2021 – 5 U 42/21
1 Gründe
I.
Der Kläger macht gegen den Beklagten im Wege der Stufenklage Ansprüche auf Herausgabe von Nachlassgegenständen zugunsten einer Erbengemeinschaft und dies vorbereitende Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche geltend. Er und der Beklagte sind Abkömmlinge der am 20.10.2018 verstorbenen K., geborene S. (im Folgenden: Erblasserin), die von den Parteien sowie deren Bruder, dem Zeugen W., zu je 1/3 beerbt wurde. Die Erblasserin hinterließ Geldvermögen, ein Hausanwesen (Bauernhof) in Neunkirchen-Wiebelskirchen und zahlreiche landwirtschaftliche Grundstücke. Der Beklagte wohnte mit seiner Mutter bis zu deren Tod in diesem Anwesen, er pflegte die bettlägerige Erblasserin seit Ende 2009 und besaß Bankvollmacht für deren Konto bei der Bank 1 Saar. Durch Beschl. des AG Neunkirchen vom 9.4.2010 war er zum Betreuer der Erblasserin mit den Aufgabenkreisen Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden und Versicherungen, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge bestellt worden (Bl. 5 ff. d.A. 15 XVII [S] 108/10); in dieser Funktion hatte er eine Vermögensübersicht zum Stichtag der Betreuungsübernahme eingereicht (Bl. 11 ff. d.A. 15 XVII [S] 108/10) und in der Folge jährlich Rechenschaft über das Vermögen der Erblasserin und die Ausgaben gelegt, die von Seiten des Gerichts und der Miterben unbeanstandet blieben. Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten forderte der Kläger den Beklagten unter Hinweis auf § 2027 BGB und Fristsetzung auf den 23.10.2020 u.a. dazu auf, Auskunft über die in seinem Besitz befindliche Erbmasse zu erteilen und ein Bestandsverzeichnis über den Nachlass zum Zeitpunkt des Erbfalls vorzulegen (Bl. 19 ff. GA). In einer SMS vom 13.10.2020 gab der Beklagte an, dass es keine Vermögensübersicht gebe, da ohne Erbschein keine Informationen herausgegeben würden (Bl. 25 GA).
Der Kläger, der den Beklagten auf der ersten Stufe seiner Klage zugunsten der Erbengemeinschaft auf Auskunftserteilung über den Bestand und den Verbleib des Nachlasses in Anspruch genommen hat sowie des Weiteren auch auf Rechenschaftslegung über die vom 1.1.2015 bis zum 20.10.2018 für die Erblasserin vorgenommenen rechtsgeschäftlichen Handlungen und die seit dem 20.10.2018 für den Nachlass getätigten Geschäfte, hat sich zur Begründung seines – im zweiten Rechtszug allein noch gegenständlichen – Auskunftsersuchens vorrangig auf den Erbschaftsanspruch nach den §§ 2018, 2027 BGB berufen und hierzu behauptet, der Beklagte habe die zum Nachlass gehörenden Erbschaftsgegenstände, insbesondere das Hausanwesen, in Besitz genommen und über das Vermögen der Erblasserin verfügt: Er habe das Schloss der Hauseingangstür ausgewechselt und dem Kläger dadurch den Zugang verwehrt, außerdem habe er das Hausanwesen im Bestand verändert und beispielsweise zwei neue Fenster eingebaut, Einrichtungsgegenstände entfernt und verkauft und den Kaufpreis für sich vereinnahmt, Verfügungen über Versicherungsverträge getroffen, beispielsweise die Wohngebäudeversicherung auf die Erbengemeinschaft umschreiben lassen, und eine Sterbegeldversicherung sowie die Pacht für die landwirtschaftlichen Grundstücke für sich vereinnahmt. Er sei auch im Besitz sämtlicher Unterlagen und Dokumente, auf die Aufforderungen des Klägers zur Auskunftserteilung und zur Teilung des Nachlasses habe er nicht reagiert. Der Beklagte hat in Abrede gestellt, sich ein ihm nicht zustehendes Erbrecht angemaßt zu haben. Da er seine Wohnung in dem Anwesen unterhalte und der Kläger kein Recht zur Ausübung eines Mitbesitzes an dieser Wohnung habe, sei das Schloss nach Zustellung der vorliegenden Klage ausgewechselt worden. Der Kläger habe auch monatelang Gelegenheit gehabt, Gegenstände aus dem Nachlass nach seinem Belieben an sich zu nehmen, auf entsprechende Aufforderungen habe er nicht reagiert, in der Folge sei die Wohnung der Erblasserin ohne weiteren Erlös entrümpelt worden. Erlangte Pachtzahlungen habe er auf das Konto der Erbengemeinschaft eingezahlt, auch die zunächst erlangte Zahlung der Sterbegeldversicherung habe er dorthin weitergeleitet. Dem Kläger, der von der Erblasserin auch Vorempfänge erhalten habe, sei bereits Ende 2018 Einsicht in sämtliche Unterlagen und Vorgänge gewährt worden.
Das LG Saarbrücken hat den Bruder der Parteien zu den Einsichtsmöglichkeiten des Klägers in die Abrechnungsunterlagen und die Geldzahlungen der Mutter an den Kläger als Zeugen vernommen. Mit dem angefochtenen Teil-Urteil (Bl. 163 ff. GA), auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat es den Beklagten...