In den letzten Jahren häufen sich gegen letztinstanzliche Urteile des BFH zum ErbStG Verfassungsbeschwerden, mit denen eine Verfassungsverletzung reklamiert wird. Die Themenkreise reichen von der Transparenz oder Intransparenz von Personengesellschaften über die Verweigerung der Begünstigung beim Familienheim, die Anerkennung einer Betriebsaufspaltung als Rückausnahme von Verwaltungsvermögen, die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer bzw. die Doppelbesteuerung aufgrund Nichtanrechnung bis zur Steuerklasse III für den zweifelsfrei biologischen Vater, wenn das für die zivilrechtliche Verwandtschaft maßgebliche Statusfeststellungsverfahren versäumt wurde. Gespeist wird die Hoffnung auf einen Verfahrenserfolg vermutlich durch Entscheidungen, in denen das BVerfG Bestimmungen des ErbStG als mit dem Grundgesetz unvereinbar oder gar als verfassungswidrig qualifiziert hat (vgl. nur BVerfG v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BVerfG v. 17.4.2008 – 2 BvL 4/05, BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02 [jeweils nach Richtervorlagen] sowie BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07 und 1 BvR 2464/07 [nach Verfassungsbeschwerde]).
Bei allem Verständnis für die empfundenen Ungleichbehandlungen stellt sich im Einzelfall die Frage, warum eine Verfassungsbeschwerde so oft vom BVerfG gar nicht zur Entscheidung angenommen wird. Hintergrund dürfte sein, dass nach den üblichen Zulässigkeitsvoraussetzungen, wie etwa der Erschöpfung des Rechtswegs (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG), nicht immer eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts im Einzelfall vorliegt oder jedenfalls nicht mit der nötigen Überzeugungskraft dargelegt wird.
Nicht jede Ungleichbehandlung verletzt bereits Art. 3 GG, sondern es kommt maßgeblich auf die Intensität des Eingriffs an: "Je mehr eine zivilgerichtliche (Anm. hier steuerrechtliche) Entscheidung grundrechtsgeschützte Voraussetzungen freiheitlicher Existenz und Betätigung verkürzt, desto eingehender muss die verfassungsrechtliche Prüfung sein." Bei einfach gesetzlichen Akten, insbesondere gerichtlichen Entscheidungen, ist Prüfungsmaßstab nicht das konkret betroffene Gesetz, sondern nur das Verfassungsrecht, sodass eine Grundrechtsverletzung durch falsche Rechtsanwendung nur bei Verkennen des Einflusses der Grundrechte, bei einer offensichtlich willkürlichen Rechtsanwendung oder dem Überschreiten der richterlichen Rechtsfortbildung erreicht ist (zum Vorstehenden Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl. 2022, § 93 Rn 130). Das Verfassungsrecht muss zudem – prozesstaktisch – bereits in das Verfahren vor der Fachgerichtsbarkeit eingebracht worden sein.
Das BVerfG scheint überdies die Zahlung von Erbschaftsteuer zumeist als i.S.d. GG "Bagatellfall" und nur selten als einen "Eingriff von nahezu existenzieller Bedeutung" (Jarass/Pieroth, Art. 93 Rn 79) im Rahmen der für bereits die Annahme einer Verfassungsbeschwerde geforderten Grundrechtsverletzung einzustufen (vgl. auch FG München v. 8.2.2023 – 4 K 2771/21, Tz. 41: Steuerfestsetzung nach dem ErbStG ist keine Strafe i.S.d. Art. 103 Abs. 2 GG!). Das mag man unterschiedlich bewerten; die Konsequenzen für die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde und auch das Auslösen ihrer Kosten, gerade auch durch die hier zumeist nicht auf Basis des Geschäftswerts stattfindende anwaltliche Vertretung, sollten aber von vornherein gesehen werden.
Zerberus meint: Die eigene Steuer ist die ungerechteste der Welt!
ZErb 6/2023, S. I