Leitsatz

(nicht amtlich)

1. Die ausdrückliche Zuordnung einer den wesentlichen Teil eines Nachlasses bildenden Immobilie legt es nahe, dass die Bedachte alleinige Erbin sein soll.

2. Die sich daran anschließende Erläuterung "Sie kann bestimmen, wer noch etwas bekommt" ist wegen der grundsätzlichen Unteilbarkeit kaum auf die Immobilie zu beziehen, sondern legt eine umfassende Entscheidungsbefugnis darüber nahe, wer Zuwendungen aus dem Nachlass erhalten soll.

3. Eine Anweisung an das Nachlassgericht zur Erteilung des beantragten Erbscheins kann nicht erfolgen, wenn die nach § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG grundsätzlich erforderliche Versicherung an Eides statt, dass keine anderen Testamente vorliegen und kein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig ist, nicht erfolgt ist.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.9.2023 – 11 W 42/23

1 Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 begehrt die Erteilung eines Alleinerbscheins und wendet sich gegen die Erteilung eines von den Beteiligten zu 2 und 3 beantragten und diese sowie die Beteiligte zu 1 als Erben zu jeweils 1/3 ausweisenden Erbscheins.

Die Erblasserin ist kinderlos. Ihr Ehemann ist am 20.10.2008 vorverstorben. Die Beteiligte zu 3 ist ihre Schwester. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Nichten der Erblasserin. Die Beteiligte zu 1 ist die Tochter der weiteren, 1985 vorverstorbenen Schwester. Die Beteiligte zu 2 ist die Tochter der Beteiligten zu 3.

Am 12.1.2009 verfügte die Erblasserin mit handschriftlichem Testament wie folgt:

Zitat

P., den 12.1.2009

Mein Testament! Ich R. geb. L. … , setze D. [Bet. zu 1] geb. am … als Erbin von dem Gebäude ein.

Alles steht Ihr zur Verfügung.

Sie kann bestimmen, wer noch etwas ab kommt.

B. [Bet. zu 3] und W. [Bet. zu 2] sollen Anteil haben.

P. – den 12.1.2009

R.!“

Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Erblasserin über weiteres Vermögen in Form eines Depots bei der U. mit einem Gesamtwert zum Stand 31.12.2008 von 11.711,39 EUR (Anlage 1) sowie Eigentum an Landwirtschaftsflächen (Gesamtwert 6.600,00 EUR). Ihre Konten bei der … bank wiesen zum 12.1.2009 ein Guthaben von 841,19 EUR (Kontonummer; Anlage 2) bzw. 17.634,83 EUR (Kontonummer; Anlage 2) aus.

Die Beteiligte zu 1 hat mit Schreiben vom 12.3.2022 (AS I, 1) die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt. Ihre Einsetzung als Alleinerbin ergebe sich aus der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB. Die Immobilie mache den wesentlichen Teil des Vermögens der Erblasserin aus. Im Nachlass befänden sich daneben Landwirtschaftsflächen, verschiedene Konten und ein Fonds, die zusammen einen Wert von 57.680,00 EUR hätten (vgl. AS I, 41). Die Immobilie habe demgegenüber einen Verkehrswert von 350.000,00 EUR. Indiz für die Einsetzung der Beteiligten zu 1 als Alleinerbin sei zudem die im Testament enthaltenen Anordnung, wonach die Beteiligte zu 1 über den Nachlass verfügen und diesen regeln solle. Die Erblasserin habe gegenüber der Beteiligten zu 1 auch immer wieder betont, es sei ihr wichtig, dass sie die Immobilie alleine erhalte. Sie habe ausdrücklich vermeiden wollen, dass diese Gegenstand einer Erbengemeinschaft wird.

Die Beteiligten zu 2 und 3 sind dem Erbscheinsantrag entgegengetreten und haben mit Schriftsatz vom 10.6.2022 die Erteilung eines Erbscheins "zu jeweils 1/3 für die drei Erben" (AS I, 46) beantragt. Aus der Formulierung "B. und W. sollen Anteil haben" ergebe sich gemäß der Auslegungsregelung des § 2087 Abs. 1 BGB ihre Erbenstellung. Die Formulierung "alles steht ihr zur Verfügung" beziehe sich möglicherweise auf die zuvor genannte Immobilie, nicht jedoch auf das sonstige Erbe. Das Testament sei daher dahingehend auszulegen, dass die Beteiligten zusammen Erben geworden seien. Die Zuweisung der Immobilie an die Beteiligte zu 1 sei als Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) zu verstehen.

Das Nachlassgericht hat mit Beschl. v. 27.4.2023 den Antrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Den Antrag der Beteiligten zu 2 und 3 hat es als Antrag auf einen sie als Erben zu jeweils 1/3 ausweisenden Teilerbschein ausgelegt und die hierfür erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

Eine Einsetzung der Beteiligten zu 1 als alleinige Erbin ergebe sich aus dem Wortlaut des Testaments nicht. Vielmehr erfolge nur in Bezug auf die Immobilie eine Zuwendung ausschließlich an die Beteiligte zu 1. Aus der insofern klaren Formulierung "B. und W. sollen Anteil haben" ergebe sich, dass die Erblasserin mehrere Erben habe einsetzen wollen. Auch die weitere Formulierung "Sie kann bestimmen, wer noch etwas ab bekommt" stehe im Widerspruch zu einer Alleinerbeinsetzung der Beteiligten zu 1. Gestützt werde die Auslegung durch den Umstand, dass die Erblasserin der Beteiligten zu 1 eine Generalvollmacht über den Tod hinaus erteilt habe. Dieser hätte es bei einer Einsetzung als Alleinerbin nicht bedurft.

Die Auslegungsregelung des § 2087 Abs. 1 BGB komme nicht zur Anwendung, da die Beteiligte zu 1 nach dem Wortlaut als Erbin bezeichnet worden sei und die Erbeinsetzung aus dem Gesamtzusammenhang zweifelsfrei feststehe. Zudem seien neben dem Hausgrundstück noch weitere wesentliche Verm...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge