Leitsatz
Verletzt der Erbe schuldhaft seine Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten, so folgt hieraus im Regelfall keine Umkehr der Beweislast dahin, dass nunmehr der Erbe beweispflichtig für das Nichtbestehen einer zunächst nicht angegebenen Nachlassverbindlichkeit ist.
BGH, Urteil vom 10. März 2010 – IV ZR 264/08
Sachverhalt
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung des Pflichtteils nach ihrem am 15. Februar 2003 verstorbenen Vater in Anspruch.
Die Beklagte ist die zweite Ehefrau des Erblassers, die durch dessen Testament vom 3. Dezember 1981 zur Alleinerbin eingesetzt wurde. Die Kläger sind die Kinder des Erblassers aus dessen erster Ehe. Auf Aufforderung der Kläger übersandte die Beklagte diesen ein unter dem 10. Oktober 2003 erstelltes Nachlassverzeichnis, welches Vermögenswerte von 40.055,30 EUR sowie als Verbindlichkeiten lediglich Beerdigungskosten von 2.251 EUR beinhaltete. Auf dieser Grundlage errechneten die Kläger sich einen Pflichtteilsanspruch von je 3.150,36 EUR, den sie klageweise vor dem Landgericht geltend machten. Die Beklagte wandte erstmals während des erstinstanzlichen Verfahrens ein, es seien am 28. September 2006 weitere Belege aufgefunden worden. Aus zwei hierzu vorgelegten Kontoauszügen der W. I. vom 31. Dezember 2004 ergeben sich Verbindlichkeiten des Erblassers zu diesem Zeitpunkt von 148.054,62 EUR sowie 97.115,73 EUR. Die Beklagte wurde durch ein Schreiben der H. vom 24. Oktober 2006 zur Rückzahlung eines vormals bestehenden Darlehens bei der ... aufgefordert. Die Beklagte und der Erblasser hatten ferner am 21. Oktober 1983 eine als "Annahmebestätigung und Zahlungsauftrag (Darlehen)" bezeichnete Erklärung unterschrieben, aus der sich eine Darlehensaufnahme von 163.750 DM sowie ein Beleihungsobjekt in B. ergeben. Für dieses Darlehen, das seit dem 1. Januar 1984 mit jährlich 5,5 % zu verzinsen ist, bestellten der Erblasser und die Beklagte am 13. Januar 1984 eine Grundschuld an dem Beleihungsobjekt in B.
Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung einer Mitarbeiterin der ... Girozentrale in Höhe der geltend gemachten Pflichtteilszahlung stattgegeben und sie bezüglich des Anspruchs auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Kläger.
Aus den Gründen
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. (...)
1. Ohne Erfolg macht die Revision zunächst geltend, bei einem schuldhaft unvollständigen oder falschen Nachlassverzeichnis und auch später nicht nachgeholten vollständigen Informationen sei von einer Beweislastumkehr dahin auszugehen, dass den Erben die Beweislast für das Bestehen von Nachlassverbindlichkeiten treffe.
a) Der Pflichtteilsberechtigte ist für alle Tatsachen beweispflichtig, von denen der Grund und die Höhe des von ihm erhobenen Anspruchs abhängt (BGHZ 7, 134, 136; Palandt-BGB/Edenhofer, 69. Aufl. § 2317 Rn 10). Aus dieser allgemein anerkannten Verteilung der Darlegungs- und Beweislast folgt zugleich, dass der Pflichtteilsberechtigte das Nichtbestehen einer von ihm bestrittenen, vom Erben substanziiert dargelegten Nachlassverbindlichkeit zu beweisen hat (Senatsbeschluss vom 11. Juni 2003 – IV ZR 410/02 – FF 2003, 218; MüKo-BGB/Lange, 5. Aufl. § 2311 Rn 1).
Die Frage, ob und inwieweit es ausnahmsweise zu einer Verschiebung der Darlegungs- und Beweislast bis hin zu einer Umkehr der Beweislast für den Fall kommen kann, dass der Erbe schuldhaft seine Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 BGB verletzt, insbesondere ein unvollständiges oder fehlerhaftes Nachlassverzeichnis erstellt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und wird unterschiedlich beantwortet. Der Senat hat diese Frage in BGHZ 7, 134, 136 ausdrücklich offen gelassen. Im Schrifttum wird teilweise eine Umkehr der Beweislast bei schuldhafter Verletzung der Auskunftsverpflichtung angenommen (Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses 1976, S. 242 ff, 249; Damrau/Riedel/Lenz, Praxiskommentar Erbrecht § 2317 Rn 23). Überwiegend findet sich der Hinweis, eine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Erstellung der Auskunft sei im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen und könne unter Umständen zu einer Umkehr der Beweislast führen (MüKo-BGB/Lange § 2317 Rn 27; Soergel/Dieckmann, BGB, 13. Aufl. § 2317 Rn 19; Staudinger-BGB/Haas BGB [2006] § 2317 Rn 49; Bamberger/Roth/Mayer, BGB 2. Aufl. § 2317 Rn 13; Frieser/Linder, Kompaktkommentar Erbrecht § 2317 Rn 18). Schließlich wird die Auffassung vertreten, eine schuldhafte Verletzung der Auskunftsverpflichtung sei lediglich bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (Baumgärtel/Laumen/Prütting-Schmitz, Handbuch der Beweislast 3. Aufl. § 2314 Rn 7; Palandt-BGB/Edenhofer, § 2317 Rn 10; Prütting/Wegen/Weinreich/Deppenkemper BGB, 4. Aufl. § 2317 Rn 11).
b) Eine Umkehr der Beweislast immer dann, wenn der Erbe die Auskunftspflicht nach § 2314 Nr. 1 BGB schuldhaft ve...