Leitsatz
Für die Entgegennahme des Beschlusses, mit dem die Erbausschlagung vom Familiengericht genehmigt wird, ist grundsätzlich ein Ergänzungspfleger zu bestellen, da – unabhängig vom Vorliegen eines erheblichen Interessengegensatzes im Sinne der §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 Abs. 2 BGB – die Eltern bzw. der allein sorgeberechtigte Elternteil gemäß § 41 Abs. 3 FamFG verhindert ist.
OLG Celle, Beschluss vom 4. Mai 2011 – 10 UF 78/11
Sachverhalt
Das betroffene Kind J. L. H., geboren am … . 2004, ist aus einer Verbindung seiner Mutter mit Herrn A. V., geboren am … in … , verstorben am … in …, hervorgegangen. Die Kindeseltern waren nicht miteinander verheiratet. Aufgrund der Anordnung in seinem Testament ist die Kindesmutter Alleinerbin nach dem verstorbenen Kindesvater geworden. Sie hat die Erbschaft am 13. Dezember 2010 beim Amtsgericht – Nachlassgericht – Hannover (Az: 50 VI 5113/10) ausgeschlagen. Die Erbschaft ist daraufhin dem betroffenen Kind angefallen. Die Kindesmutter hat deshalb am 13. Dezember 2010 die Erbschaft auch als gesetzliche Vertreterin des betroffenen Kindes ausgeschlagen und die Genehmigung der Erbschaftsausschlagung beim zuständigen Familiengericht beantragt.
Das Amtsgericht – Familiengericht – Hannover hat am 15. März 2011 für das betroffene Kind Ergänzungspflegschaft angeordnet und die Landeshauptstadt Hannover zum Ergänzungspfleger bestellt, wobei der Beschluss auf den Antrag der Kindesmutter vom 24. März 2011 hinsichtlich des Datums der Erbausschlagung sowie des Vornamens des betroffenen Kindes durch den Beschluss vom 25. März 2011 berichtigt worden sind. Als Wirkungskreis der Ergänzungspflegerin ist die Entgegennahme der Zustellung des noch zu erlassenden Beschlusses über die Genehmigung der Erbausschlagung vom 13. Dezember 2010 gegenüber dem zuständigen Amtsgericht – Nachlassgericht – Hannover (50 VI 5113/10) und die Erklärung eines Rechtsmittelverzichts bzw. Einlegung eines Rechtsmittels gegen diesen Beschluss für den Minderjährigen bestimmt worden.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Ergänzungspflegerin, die geltend macht, dass das Kind auch im Wirkungskreis der Ergänzungspflegschaft von der sorgeberechtigten Mutter vertreten werden könne.
Aus den Gründen
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist zwar formell fehlerhaft, weil das Amtsgericht entgegen § 160 Abs. 2 S. 1 FamFG die Kindesmutter nicht angehört hat, denn sie hat vor Erlass des Beschlusses keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Bei der Bestellung eines Ergänzungspflegers handelt es sich nach § 151 Nr. 5 FamFG um eine Kindschaftssache, sodass die Eltern grundsätzlich anzuhören sind. Anderenfalls wird der in Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz normierte Anspruch der Eltern auf rechtliches Gehör nicht beachtet. Dieser Verfahrensfehler ist aber durch die Zustellung des angefochtenen Beschlusses an die Kindesmutter und deren Berichtigungsantrag vom 24. März 2011 geheilt worden. Das Amtsgericht hat zu Recht eine Ergänzungspflegschaft angeordnet.
Nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB erhält, wer unter elterlicher Sorge steht, für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern verhindert sind, einen Pfleger. Eine Verhinderung der Eltern oder – wie hier – eines allein sorgeberechtigten Elternteils ist gemäß § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB iVm § 1796 Abs. 2 BGB insbesondere gegeben, wenn das Interesse des betroffenen Kindes zu dem Interesse der Kindesmutter in erheblichem Gegensatz steht.
Teilweise wird die Ansicht vertreten, ein allein sorgeberechtigter Elternteil könne das Kind grundsätzlich nicht in einem Erbausschlagungsverfahren vertreten, weil das Interesse des Kindes zu demjenigen der Mutter in erheblichem Gegensatz stehe, sodass die Bestellung eines Ergänzungspflegers notwendig sei (vgl. KG Berlin – Beschluss vom 4. März 2010 – 17 UF 5/10 – FamRZ 2010, 1171-1173). In Verfahren, die die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand haben, könne das rechtliche Gehör nicht durch den Vertreter des durch die Entscheidung in seinen Rechten Betroffenen wahrgenommen werden. Es sei nicht zu erwarten, dass der Elternteil, wenn die zu erlassende Entscheidung seinem Antrag entspricht, den Beschluss noch einmal unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls prüft (vgl. KG Berlin aaO). Das Kammergericht stützt seine Entscheidung zur Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers maßgeblich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens das rechtliche Gehör im Regelfall nicht durch denjenigen vermittelt werden kann, dessen Handeln im Genehmigungsverfahren überprüft werden soll (vgl. BVerfG – Beschluss vom 18. Januar 2000 – 1 BvR 321/96 – NJW 2000, 1709-1711). Die nachlassgerichtliche Genehmigung eines von einem Nachlasspfleger abgeschlossenen Erbauseinandersetzungsvertrags ohne Anhörung der Erben verletzt danach die Grundsätze des fairen Verfahrens. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor entschieden, dass ein Dritter das rechtlic...