Leitsatz
Zahlt der Versicherer nach dem Versterben des Versicherungsnehmers die Todesfallleistung an den Bezugsberechtigten aus, so führt dies nicht zu einem Schadensersatzanspruch des Erben des Versicherungsnehmers, wenn das Valutaverhältnis keinen Mangel aufweist, der für den Versicherer offenkundig ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Versicherer nicht bekannt ist, auf welcher Rechtsgrundlage das Valutaverhältnis beruht.
LG Stuttgart, Urteil vom 12. April 2019 – 3 O 452/18
Sachverhalt
Mit der Klage macht der Klager gegen die Beklagte Anspruche aus einem Rentenversicherungsvertrag geltend. Der Klager ist Nachlasspfleger des Nachlasses von Herrn P. (im Folgenden auch "Erblasser"). Der Klager wurde vom Notariat Stuttgart als Nachlassgericht am 23.1.2015 als Nachlasspfleger bestellt.
Der Erblasser hat mit der Beklagten einen Rentenversicherungsvertrag unter der damaligen Versicherungsnummer R670... (mittlerweile 250...) geschlossen. Als bezugsberechtigt fur den Todesfall hat der Erblasser Frau M. eingesetzt (im Folgenden auch "Bezugsberechtigte"). Konkret sah der Versicherungsvertrag ein auf den Tod des Erblassers unwiderrufliches Bezugsrecht der Bezugsberechtigten vor. Die Versicherungsleistung auf den Todesfall betragt 24.441,30 EUR. Die Bezugsberechtigte verstarb Anfang 2016. Der Streitverkundete ist Nachlasspfleger des Nachlasses der Bezugsberechtigten.
Der Klager kontaktierte die Beklagte erstmals am 11.11.2015 und bat um Mitteilung der in den Nachlass des Erblasers fallenden Leistungsanspruche gegen die Beklagte. Die Beklagte teilte daraufhin mit Schreiben vom 23.11.2015 mit, dass die Bezugsberechtigte ein unwiderrufliches Bezugsrecht erworben habe und eine Auszahlung auf den Todesfall an den Nachlass des Erblassers deshalb nicht moglich sei. Die Bezugsberechtigte war zum damaligen Zeitpunkt keiner der Parteien bekannt, was der Klager der Beklagten mit Schreiben vom 1.12.2015 mitteilte, indem er diese um Mitteilung der personlichen Daten der Bezugsberechtigten bat.
Mit Schreiben vom 20.9.2016 erklarte der Klager gegenuber der Beklagten den Widerruf des Auftrags des Erblassers, der Bezugsberechtigten den Eintritt des Versicherungsfalls mitzuteilen und ihr ein Schenkungsangebot zu ubermitteln. Mit Schreiben vom 15.11.2016 informierte die Beklagte den Streitverkundeten uber die Versicherungsleistung und zahlte an diesen einen Betrag iHv 24.441,30 EUR aus. Nachdem der Klager hiervon erfahren hatte, forderte er die Beklagte mit Schreiben vom 31.5.2017 zur Zahlung von Schadensersatz auf, da diese seinen Widerruf ignoriert habe.
Der Klager tragt vor, es liege keine zu Lebzeiten erklarte Schenkung des Erblassers an die Bezugsberechtigte vor. Die Schenkung sei jedenfalls formunwirksam. Dies sei auch nicht geheilt worden, da ein wirksamer Schenkungsvertrag durch den vorherigen Widerruf des Auftrags zur Ubermittlung des Angebots nicht habe zustande kommen konnen. Die Beklagte habe eine vertragliche Pflichtverletzung begangen, indem sie dem Streitverkundeten das Schenkungsangebot trotz Widerrufs ubermittelt habe und damit dem Klager das Insolvenzrisiko der Bezugsberechtigten bzw. deren Nachlasses aufgeburdet habe. Die Beklagte habe ohne Vertretungsmacht gehandelt. Sie schulde gem. §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. 1 und 678 BGB Schadensersatz iHv 24.441,30 EUR. Denn zwar bestehe ein Anspruch des Klagers gegen den Nachlass der Bezugsberechtigung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB. Der Nachlass der Bezugsberechtigten sei jedoch uberschuldet, da bestehenden Passiva iHv 37.994,15 EUR lediglich 1.623,72 EUR Aktiva gegenuber stunden. Die Forderung des Klagers sei zudem nachrangig gegenuber anderen Forderungen. Selbst wenn eine anteilige Befriedigung nach Tabelle in Betracht komme, wurde dies lediglich zu einem durchsetzbaren Anspruch des Klagers gegen den Nachlass der Bezugsberechtigten iHv 16.800,83 EUR fuhren.
(...)
Die Beklagte tragt vor, eine Pflichtverletzung liege nicht vor. Fur die Beklagte sei keineswegs offenkundig gewesen, ob das Valutaverhaltnis zum Zeitpunkt der Widerrufserklarung wirksam war. So habe der Bezugsberechtigung neben einer bereits zu Lebzeiten ausdrucklich erklarten Schenkung (und damit einem ubermittelten Angebot) auch ein synallagmatischer Vertrag zugrunde liegen konnen. Bei einer solchen Sachlage sei es der Beklagten als Versicherung nicht zuzumuten, nachzuprufen, ob das Valutaverhaltnis zwischen dem Versicherungsnehmer und der Bezugsberechtigten wirksam sei oder nicht. Der Widerruf eines Auftrags zur Ubermittlung eines Schenkungsangebots sei bereits deshalb nicht zu beachten gewesen.
Andernfalls wurde die Beklagte in das Valutaverhaltnis hineingezogen, was ihr nicht zumutbar sei. Sie musse an den Bezugsberechtigten leisten durfen. Es handle sich immerhin um einen unwiderruflichen Anspruch und offenkundig bestehende Anhaltspunkte fur dessen Nichtbestehen lagen nicht vor.
Die Beklagte bestreitet zudem einen Schaden des Klagers, da selbst bei Unwirksamkeit des Valutaverhaltnisses ein gleichwertiger Kondiktionsanspruch gegen d...