Leitsatz
1. Der Wille des Erblassers, der als sog. innere Tatsache dem Geständnis und der Beweisaufnahme zugänglich ist, ist unstreitig, wenn die Parteien allein über die Frage der Vererblichkeit des Nacherbenrechts streiten, weil der Wille der Eheleute auf die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft im gemeinschaftlichen Testament gerichtet gewesen sei.
2. Wer sich auf einen von der Regel des § 2108 Abs. 1 BGB abweichenden Erblasserwillen beruft, ist dafür auch dann darlegungs- und beweispflichtig, wenn sich Ehegatten zu befreiten Vorerben und ihren einzigen kinderlosen Sohn zum Nacherben eingesetzt haben.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. November 2008 – 7 U 8/08
Sachverhalt
(...) Die Eheleute M. und B. W. errichteten am 17.06.1993 ein gemeinschaftliches Testament, das das Nachlassgericht nach dem Tode der Ehefrau dahingehend auslegte, dass die Eheleute sich gegenseitig zu befreiten Vorerben und ihren damals einzigen Sohn W. W., den Ehemann der Klägerin, als Nacherben eingesetzt hatten. Nachdem W. W. im Jahr 2000 verstorben war, errichtete sein noch lebender Vater B. W. mehrere Testamente, in der er unterschiedliche Erbfolgen bestimmte. Nach dessen Tod veräußerte die Erbengemeinschaft auf B. W., an der die Klägerin beteiligt ist, mit ihrer Zustimmung das ehemalige Familienwohnheim der Eheleute W. zum Preis von 160.000,– EUR. Die Klägerin begehrt den hälftigen Erlös daraus für sich allein, da sie als Alleinerbin ihres Ehemanns zunächst Inhaberin eines Anwartschaftsrechts auf die Nacherbschaft nach M. W. und mit dem Tode von B. W. Nacherbin geworden sei, sodass sie als Rechtsnachfolgerin von M. W. hälftige Miteigentümerin am Grundstück gewesen sei. Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht Nacherbin nach M. W. geworden sei. Die ergänzende Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments ergebe, dass die Schwiegereltern der Klägerin die Nacherbschaft nicht vererblich ausgestalten wollten. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie unter dessen Abänderung beantragt, den Beklagten zu verurteilen, 80.000,– EUR nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 26.10.2006 zu zahlen, während der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. (...)
Aus den Gründen
Die zulässige Berufung ist bis auf einen Teil der Zinsforderung begründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Auszahlung der von ihm treuhänderisch verwalteten 80.000,00 EUR aus dem Verkauf des Grundstücks gem. den §§ 753, 741, 749 BGB zu. Die Klägerin war als Alleinerbin ihres vorverstorbenen Ehemanns gem. § 1922 BGB in dessen Stellung als anwartschaftsberechtigter Nacherbe nach M. W. eingetreten, §§ 2100, 2108 Abs. 1, 1923 BGB. Mit dem Tode des Vorerben B. W. trat der Nacherbfall ein und sie wurde als Nacherbin Rechtsnachfolgerin der Miteigentümerin M. W. zu ½ des veräußerten Grundstücks, während die Erbengemeinschaft nach B. W. Eigentümerin der anderen Hälfte wurde. (...)
Der Senat ist (...) nicht an die Feststellung des Landgerichts gebunden, dass eine Vererblichkeit der Nacherbschaft ausgeschlossen ist und damit der Vorerbe B. W. mit dem Tod des Nacherben W. W. Vollerbe nach seiner Ehefrau wurde. Er kann die Auffassung des Landgerichts, wenn die Anordnung der Vor- und Nacherbfolge ausschließlich engste Familienangehörige betreffe und der Nacherbe ohne eigene Abkömmlinge sterbe, habe derjenige, der sich auf die Vererblichkeit beruft, die sich hieraus ergebenden Bedenken an der Vererblichkeit auszuräumen, was der Klägerin nicht gelungen sei, nicht teilen. Diese Auffassung widerspricht der langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die sich an die Rechtsprechung des Reichsgerichts anlehnt. Sie wird in dieser Allgemeinheit auch nicht von der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten.
§ 2108 Abs. 2 S. 1 BGB geht als Auslegungsregel grundsätzlich von einer Vererblichkeit des Nacherbschaftsrechts aus und sieht deren Ausschluss als Ausnahme vor. Dementsprechend hat derjenige, der sich auf diese Ausnahme beruft, den Beweis dafür zu erbringen (MüKo/Grunsky, BGB, 4. Aufl. § 2108 Rn 6). Dies ist hier der Beklagte, der keine ausreichenden Umstände dargelegt hat, die einen abweichenden Willen der Eheleute W. begründen können.
Die Frage, ob die Nacherbschaft von den Eheleuten W. vererblich ausgestaltet werden sollte oder nicht, ist durch Auslegung des Testaments gem. den §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der speziellen Auslegungsregeln für Verfügungen von Todes wegen zu entscheiden.
a) Da es sich bei der hier auszulegenden Verfügung von Todes wegen um ein gemeinschaftliches Testament handelte, ist für die Auslegung des Testaments und die Feststellung des Willens auf den gemeinschaftlichen Willen der Eheleute abzustellen (BGH NJW 1993, 256; BayObLGZ 1993, 240, 246; BayObLG FamRZ 1996, 1240 Textziff. 17), wobei nicht nur der tatsächliche Wille zu ermitteln ist, was hier nach der zutreffenden Auffassung des Landgerichts nicht mö...