Prof. Dr. Dr. Thomas Gergen
In den Begründungsansätzen wurde deutlich, dass ein zentraler Gedanke die Diskussion um die Gleichbehandlung beherrschte, nämlich die Erhaltung des Hofs in der angestammten Familie. Dafür sahen die Befürworter den Mann als besser geeignet, "die Hoftradition" weiterzuführen und den Hof als Wirtschaftseinheit zu erhalten. Dass dies weniger auf sachliche Argumente als auf ein konservatives Rollenverständnis gestützt wurde, machten die vorgebrachten Meinungen von der Natur der Frau mehr als deutlich. Nicht zuletzt zeigten die Begründungsansätze von Henrici, Siegmann und dem OLG Celle, dass die vorgebrachten Argumente durchtränkt waren mit dem Vokabular der Schollenverbundenheit, die in der NS-Blut-und-Boden-Ideologie pervertiert wurde.
Sicherlich muss man berücksichtigen, dass man in den 1950er-Jahren von der Überzeugung geleitet worden ist, dass nach dem II. Weltkrieg durch den Verlust der ehemaligen Ostgebiete mit dem damit verbundenen Wegfall von knapp 30 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche der höchstmögliche Ertrag aus der Landwirtschaft gezogen werden musste, um die Volksernährung sicherzustellen. Man sah dies am besten durch die Erhaltung des deutschen Bauerntums mit seinen "Eigengesetzlichkeiten" gewährleistet. Dieses setzte sich auch noch in den 1950er-Jahren vornehmlich weniger aus Großbetrieben, sondern aus kleinen und mittleren Familienbetrieben zusammen, was auch erklärt, warum die damalige Landwirtschaft von der besonderen Rolle des Eigentums an Grund und Boden und vom Leitbild des bäuerlichen Familienbetriebs geprägt war.
Aber auch unter der Berücksichtigung der damaligen wirtschaftlichen Lage und der allgemeinen Zielsetzung der HöfeO, den Betrieb in der angestammten Familie zu erhalten, fanden sich keine vernünftigen, sachlichen Gründe für eine Schlechterbehandlung der Frau bei der Erbfolge. An dem vorgebrachten Begründungsansatz, dass gerade eine Rückstellung der Frau aufgrund der biologischen, funktionalen Unterschiede geboten sei, zeigt sich, wie subjektiv und rein am Zweck der Erhaltung und Sitte mit dem Begriff der Natur der Frau jongliert wurde. Erst sei die Frau nicht der körperlichen Arbeit gewachsen, dann wird ihr mit dem Aufkommen der Technisierung und Mechanisierung ein grundlegendes geistiges Verständnis im technischen Sinne und ihr die Fähigkeit der Leitung des Betriebs abgesprochen. Ihre Natur erfordere es schlichtweg, sie auf die Innenwirtschaft und das "Muttersein" zu beschränken. Es ist offensichtlich, dass diese Argumentation mehr dem Zwecke einer Erhaltung eines konservativen Rollenverständnisses von Mann und Frau diente, als sich sachlich fundiert mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die männliche Erbfolge geboten sei, den Hof als Wirtschaftseinheit in der Familie zu erhalten.
Dies zeigte sich schon allein daran, dass die Tatsachen, dass die Frau in Kriegszeiten die gleiche Arbeit wie der Mann übernehmen konnte und dass auch damals schon ein beträchtlicher Teil von Höfen von Frauen geführt wurde, einfach als Ausnahmen von der Regel nicht zu berücksichtigen waren. Obwohl sich gerade daran zeigte, dass die Arbeitsteilung und der darauf begründende Vorzug des männlichen Geschlechts weniger auf den dargestellten Unterschieden beruhte, sondern auf altem Herkommen und Sitte. Aber auch für den Fall, dass der Großteil der Bauern an dem alten Erbbrauch festhalten wollte, sei dies schließlich durch die bestehende Testierfähigkeit jederzeit möglich gewesen.
Das Bundesverfassungsgericht wählte in seiner Entscheidung zum Vorzug des männlichen Geschlechts den einzigen richtigen sachlichen Anknüpfungspunkt, nämlich das Erfordernis der Wirtschaftsfähigkeit des weiblichen wie auch des männlichen Hoferben nach § 6 Abs. 5 Satz 1 HöfeO. Mit der Bejahung dieser Voraussetzung ist das Ziel der HöfeO, die Erhaltung "leistungsfähiger" Höfe zur Sicherstellung der Volksernährung, bereits gewährleistet. Also stellte sich grundlegend lediglich die Frage, ob die Frau auch wirtschaftsfähig sei. Dass dies der Fall war, musste der BGH auch Frauen zugestehen.